Der Aufstand im Epirus.

[5] Während noch der Winter mit seinen Stürmen tobte, die Gipfel und Schluchten des Pindus und Balkan mit tiefem Schnee bedeckt waren, die Gebirgsbache mit brausenden Wässern überfluthet, die Thäler in Ebenen und Seen verwandelt, loderte die Flamme des Christenaufstands in Epirus, Albanien und Thessalien bereits in voller Gluth empor.

In diesem Lande, der Heimath glühender Geister und tapferer Krieger, hatte die Perfidie des Divans seit Beginn dieses Jahrhunderts alles Mögliche gethan, nach Vernichtung der freien albanesischen Begs, durch gegenseitige Bekämpfung der griechischen, lateinischen und türkischen Stämme die Energie und die Kraft eines Volkes zu vernichten, das seit Jahrhunderten in blutigen Kämpfen immer wieder dem Joch von Constantinopel getrotzt. Diese fortwährenden Kämpfe und Aufstände für die Unabhängigkeit waren nicht blos von der christlichen Bevölkerung, sondern noch häufiger von den mohamedanischen Stämmen selbst ausgegangen. Seit 1850 – nachdem der Verrath Mehemed-Reschtd's 500 albanesische Begs, an ihrer Spitze den tapferen Pascha von Zeituni, Arslar und Weli-Beg beim Gastmahl zu Monastir gemordet und die Köpfe der Klephten eingesalzen nach Constantinopel geschickt hatte, so, gleich Saturn, die eigenen Kinder vernichtend; – nachdem die Griechen den Erbschmuck ihrer Weiber geopfert, um dem Wessir gegen ihre Stammfeinde bei Prilipe beizustehen, und 300 epirotische Palikaren die Verschanzungen von Babussa erstürmt hatten, was das ganze Heer der Taktikis zu unternehmen nicht wagte, – ließ die Pforte zum Dank für die christliche Unterstützung gegen die Aufständischen das Land wieder in die grauenvollste Anarchie versinken und führte[5] ein Unterdrückungssystem ein, das die beklagenswerthen Bewohner »Die glücklichen Zeiten Ali-Tebelin's, des Pascha's von Janina« zurückwünschen ließ. »Wenigstens hatten wir doch damals nur einen Tyrannen,« sagten die Tosken, »der Himmel gebe ihn uns wieder und wir wollen den Staub von seinen Füßen küssen.« –

Epirus – Albanien – zerfällt in vier Gebiete. Das nördliche oder rothe Albanien bewohnen die Ghegen, deren christliche, – lateinische, – Stämme die Mirditen sind. Südlich von den Roth-Albanesen in Gebiet der Partheni (Ur-Albanesen) wohnen die Tosken, deren muselmännische Stämme die berüchtigten Arnauten bilden und in Ali von Janina ihr Musterbild fanden. Der dritte Stamm, die Ljapis oder Japiden, durch seine körperliche und geistige Häßlichkeit unvortheilhaft von dem andern Volk unterschieden, bewohnt die acroceraunischen Felsen längs der Adria und lebt von Raub auf Land und See. Seine Name ist ein Schimpf unter den andern Albanesen. Der vierte Stamm, die Schamiden, hat das Reich Pluto's inne, die acherontische Landschaft Aïdonien, zwischen Arta, Suli, Janina und dem Pindus. In den heiligen Eichenwäldern von Dodona scheint ein ewiger Frühling zu grünen. Die Fröste Rumelien's, die Heuschreckenschwärme Macedonien's, der Brand, der in Morea das Getreide verwüstet, das Gewürm, das die griechischen Weinberge zerstört, sind in Schamurien und den sonnigen Landschaften von Epirus, die der Meerbusen von Preresa begränzt, unbekannt. Die Sonnengluth wird durch frische, sanfte Lüfte gemildert, die vom Meer, von den Schneegipfeln des Pindus und den tausendjährigen Wäldern, mit Wohlgerüchen geschwängert, in die Thäler herniederwehen. Die unterirdischen Feuer, welche das Land zuweilen erschüttern, machen dasselbe nicht ungesund; die unzähligen Bergseen strömen keine schädlichen Dünste aus, und der furchtbare Acheron selbst, der sich zwischen vulkanischen Thälern und erloschenen Kratern dahinwälzt, der Mauropotamos, bringt nicht mehr den Tod. Denn neben dem Orkus, dem Reiche der Schatten, und dem Chaos, von dem finstern Erebus und Cocytus durchströmt, neben den acherontischen Sümpfen, deren phosphorische Dünste den feuerfluthenden Phlegethon der Alten bildeten, neben dem Abgrund von Zalongas, bei den Ruinen von Cassiopea, in welchen sich die Heldenfrauen Suli's vor den verfolgenden Türken stürzten, liegen die elyseischen Gefilde am Fuße des Pindus, duftend von Myrthen, Quendel, Salbei und Thymian, vom hohen Lorbeer und[6] Rosmarin, von Melisse und Orange, dem Citronenwald und der Narcisse, aus der die griechische Jungfrau ihre Kränze windet; und mit Mairosen geschmückt zieht die epirotische Bäuerin in das duftende Gehölz, um noch immer die Hochzeit der Flora und des Frühlings mit Tänzen zu feiern!

Hierhin, in die elyseischen Gefilde, verlegen wir den Schauplatz unserer Geschichte.

Die türkische Provinz Epirus wird von ungefähr 312,000 Christen und 65,000 Moslems bewohnt. Der Druck aber, welchen die Ersteren wiederum in der letzten Zeit von der Willkür des Pascha's von Janina, der Begs und Aga's und von ihren Werkzeugen, den türkisch-albanesischen Truppen auszustehen gehabt, war furchtbar und brachte die Bevölkerung zur Verzweiflung, und die tägliche Vermehrung der Steuern und die grausame Art der Eintreibung derselben, bei welcher mit dem letzten Groschen auch häufig das Leben des Mannes und die Ehre der Frauen und Töchter genommen wurde, drängte zum Ausbruch der lange verhaltenen Rache. Der Pascha von Janina hatte auf drei Jahre im Voraus die Abgaben von Korn und türkischem Weizen [120 Grosch1, für ein Zagt des Ersteren, 100 des Anderen], verlangt, desgleichen 20 Drachmen für jede Feuerstelle des Hauses. Dieselbe Steuer wurde auf jede Schlafstelle, also auf jeden Kopf gelegt. Man rechne, daß das nur die außergewöhnlichen Lasten, wobei der Haradsch oder die Kopfsteuer mit 24 Drachmen für den Erwachsenen und 12 für das Kind, und die Zehnten von allen Erzeugnissen in Feld, Garten und Hausthieren fortgezahlt werden mußten, und man wird begreifen, welche unerschwingliche Last dem Volke aufgelegt worden. Nachdem der Pascha im August 1853 die Steuern hatte einsammeln lassen, kamen die Arnauten im December auf's Neue, dieselbe Steuer auf das Jahr 1854 fordernd. Ja, der Derbend-Aga Frassari ging noch weiter und verlangte außer den Steuern auch noch den Sold für 2400 Soldaten, welche die türkische Regierung ihm zu halten befahl, während er in Wirklichkeit deren nur 800 hielt und sie für ihren Unterhalt auf Raub und Plünderung anwies.

Die Grausamkeit, mit der diese furchtbaren Lasten eingezogen[7] wurden, war unbeschreiblich; täglich wurden Männer und Knaben gemordet und verstümmelt, Frauen und Mädchen, geschändet. Da endlich brach jener Aufstand der griechischen Christen im Epirus aus, den die Westmächte – die Franzosen und Engländer – den unsterblichen Ruhm gewannen, mit Gewalt unterdrückt zu haben, da er ihnen nicht zum Krieg gegen Rußland paßte!

Im Flecken Radobitzi griffen die verzweifelnden Bewohner zuerst zu den Waffen und vertrieben die Arnauten und türkischen Aufseher. Die hervorragendsten Männer des Ortes erließen den 27. Januar eine Proclamation2, welche noch am selben Tage von 400 streitbaren Männern unterzeichnet wurde. Dieser Erhebung schlossen sich den folgenden Tag die Laka3 von Suli, Lamara Campoti und Zoamerka an, alle reich an jungen, waffengeübten Männern, und sofort entbrannten an zwanzig Orten kleine Kämpfe, und obschon die Christen bei Peta, – der Schlachtstätte im ersten Freiheitskampf, wo die Philhellenen-Schaar ihren Untergang fand, – von den Arnauten des Derbend-Aga zersprengt wurden, sammelten sie sich sofort auf's Neue und warfen die Türken auf Arta zurück. –

Wir haben bereits im vorigen Bande gemeldet, daß Anastasius Caraiskakis schon zu Ende November von Athen aus einen Aufruf an die Griechen von Thessalien, Macedonien, Thracien, Epirus, Anatolien und den Inseln zur allgemeinen Schilderhebung erlassen hatte. Zugleich reichte er sein Gesuch um Entlassung aus[8] den griechischen Diensten, er war Offizier im 9. Bataillon, ein und ging mit einer Anzahl Soldaten über die thessalische Grenze, wo er zuerst die blaue Fahne mit dem weißen Kreuz erhob. Kaum erreichte ihn die Nachricht von dem Aufstande in Schamidien, als er mit seiner täglich wachsenden Schaar den Sulioten zu Hilfe eilte.

Wie ein Blitzstrahl lief die Nachricht von den begonnenen Kämpfen durch das ganze von der offen und im Stillen fortwirkenden Hetärie längst vorbereitete Griechenland. Am Grabe des Sohnes des griechischen General-Lieutenants Tzavellas zu Athen schloß Panajoti Sutzo mit den feurigen Worten:

»Tod oder Freiheit, Tod oder griechisches Kaiserthum ist unsere Loosung. Schwöret bei der Leiche dieses Jünglings, daß Ihr Alles unternehmen wollt, was in Euren Kräften steht, um das griechische Kaiserthum herzustellen!« –

Lieutenant Spiridion sammelte in Thessalien 1200 Krieger; der General Theodor Grivas, der Bruder des Helden aus dem ersten Freiheitskampfe, sandte seine Entlassung ein und eilte über die Grenze. Mit ihm die Obersten Stratos4, Zerbas, Banakiotis, Tzamis, Karatassos, Hadschi Petro, Sacho Mylios. Zeno Melios, der Bruder des Königl. Adjutanten, schlug sich mit 700 Mann nach dem Epirus, Temeli folgte ihm mit 300 Mann und 4 Feldgeschützen; 1000 Mainoten unter Kolokotroni, dem jungen Palastmarschall des Königs, Petimenzanis und Plaputos zogen herbei; auch der Vicepräsident der Deputirtenkammer, Chourmonsy, eilte in den Kampf.[9]

Die Mittel zur Erhaltung der Freiwilligen lieferten den Aufrührern die Vereine, die sich mit Blitzesschnelle nicht allein in Athen, sondern in allen griechischen Städten bildeten. Die Epiroten, die Thessalier, die Macedonier, die Cretenser, die Samioten hielten Sammlungen, die Griechen in London zeichneten an einem Tage 25,000 Pfund Sterling, die Kaufleute in Syra 20,000 Pfund, eine einzige Provinz des Peloponnes 40,000 Drachmen. Der Eid der christlichen Krieger lautet:


»Ich schwöre auf das Evangelium und die Dreieinigkeit und auf den Namen Jesus Christus: daß ich die Waffen, die ich in die Hände nehme, nicht eher niederlegen will, ehe nicht die Tyrannen aus meinem Vaterlande vertrieben sind, so daß dasselbe gänzlich befreit ist; ich schwöre auch bei dem allwissenden Gott, daß ich die griechische Fahne mit meinem Blute vertheidigen will.«


Dieser in allen Gegenden Griechenlands aufflammenden Begeisterung gegenüber erklärten am 23. Februar die Gesandten Frankreichs und Englands dem König Otto, wie ihre Regierungen für nöthig hielten, daß Griechenland strenge Neutralität beobachte und boten ihm die Hilfe ihrer Truppen gegen die Ungehorsamen an. Der König, von seiner hochherzigen Gemahlin getrieben, entgegnete, daß er stets die Neutralität beobachtet habe und beobachten werde, daß er aber die Sympathieen seines Volkes theile und die Einzelnen nicht hindern könne, ihren Glaubensbrüdern zu Hilfe zu eilen. Eine ähnliche Antwort gab in Constantinopel der griechische Gesandte General Metaxa auf die Anfrage der türkischen Minister.

Die Abreise des türkischen Gesandten Nesset-Bey aus Athen, die spätere Besetzung des Pyräus und der Akropolis und das schmachvolle Regiment des Ministers Kalergis waren die westmächtlichen Consequenzen jener Antwort, und während der englische und französische Gesandte in Athen noch zu Neutralität riethen, segelten drei englische Schiffe bereits in den Golf von Prevesa und boten den türkischen Kommandanten der Forts ihre Hilfe gegen die Christen an.

Unterdeß schlugen sich die Freischaaren mit abwechselndem Glück. Die Türken wurden bei Demorio, Domoti und an dem berühmten Engpaß der fünf Brunnen (Pente pegadia), dem Zugang von Arta nach Janina, bei Salaora und Zuros geschlagen, auf Peristera zurückgeworfen, und Zervas befestigte jenen Paß, während dessen tapferer Vertheidiger Zambra Ziko sich nach[10] Paramythia und gegen Janina wandte. Arta fiel in die Hände der Griechen, aber sie mußten die Stadt, von den Kanonen des Kastells bedroht, wieder räumen und sich auf ihre Cernirung beschränken. In Thessalien schlugen sich Zacas und Hadji Petro gegen Abbas-Pascha und den Dervent-Aga Phrassari.

Dagegen siegten die Türken bei Sanct Dimitri, verbrannten zehn griechische Dörfer und machten glückliche Ausfälle aus der Citadelle von Arta. Grivas, mit seiner Schaar geschlagen, mußte mit 40 seiner Anhänger in ein Kloster flüchten und vertheidigte dasselbe heldenmüthig gegen die Albanesen. Zweitausend Mann ägyptischer Truppen landeten in Prevesa und eine größere Zahl war in Anzug. Zugleich erhielten die Pascha's der umliegenden Provinzen den Befehl zum Anmarsch. Zu Anfang März war auch der General Tzavellas, ein geborener Suliote, zu den Aufständischen übergegangen und hatte bei Louros 1500 Türken geschlagen. Viele Führer ordneten sich ihm unter und übertrugen ihm den Oberbefehl des Aufstands, der sich bereits über die ganze Pinduskette bis Metzowo erstreckte. Grivas dagegen, aus dem Kloster befreit, wandte sich gegen Janina und nahm 500 Arnauten im Dorfe Kufovo gefangen. Sie ergaben sich nach dreitägiger Gegenwehr unter der Bedingung, nicht wieder die Waffen gegen die Griechen zu führen, und Grivas lagerte vor Janina und besetzte die Inseln des Sees.

Die türkische Regierung hatte unterdeß die diplomatischen Verbindungen mit Griechenland abgebrochen und den zahlreichen in Constantinopel und den Provinzen sich aufhaltenden Griechen befohlen, das Reich binnen 15 Tagen zu verlassen. Nur die katholischen Griechen wurden auf Verwendung des französischen Gesandten davon ausgenommen. General Metaxa verließ am 3. April Constantinopel. Mit der berechnenden orientalischen Schlauheit, die ihre meisten Erfolge herbeigeführt, hatte die Pforte nunmehr Fuad-Effendi, den gewandten Unterhändler, an die Spitze der Truppen gestellt, die sie zur Dämpfung des Aufstandes nach dem Epirus und Thessalien sandte und während Abbas-Pascha, Abbi-Pascha, der Dervent-Aga Phrassari und Zeinel-Pascha mit jetzt zahlreichen Truppen die Griechen von Arta, Janina und Laritza her angriffen, hatte der schlaue Exminister mit Hilfe der obern griechischen Geistlichkeit, die, um ihren Einfluß und ihre Privilegieen besorgt, schändlicher Weise eifrig für die türkische Regierung Partei ergriff, Uneinigkeit[11] und Eifersucht zwischen die Führer der Freicorps gesäet. Tzavellas und Grivas standen sich bereits feindlich entgegen und weigerten einander gegenseitig die so nöthige Unterstützung. Zugleich erließen die Capitains der englischen Schiffe, welche die Küste von Epirus blokirten, drohende Proclamationen an die Führer und drohten mit dem Einschreiten der englischen Truppen. – –

Es war am Nachmittag eines sonnigen Apriltages und der leichte Wind, welcher von den grünen bis zu den schneeigen Gipfeln des Pindus aufsteigenden Bergen wehte, kräuselte leicht die Fluthen des Sees Labchistas, dessen Lagunen unter den Felsen des Tomoros verschwinden. Auf der Hochebene am See dehnten sich die weiten Ringmauern von Janina aus, jetzt nur noch die Trümmer der unter Ali so mächtigen Festung umschließend, die jedoch noch immer stark genug sich zeigte, die aufständischen Griechen abzuhalten.

Auf dem Felsenplateau des Klosters der beiden »geldlosen Heiligen«, Cosmas und Damianus, an dem der Bergstrom Dobra-Woda (frisches Wasser), auf den Höhen des eisigen Berges Matzikeli entspringend, vorüberrauscht, lagerte eine Schaar von Griechen und Albanesen unter den Platanen, die das Kloster umgeben, kräftige Gestalten, christliche Schipetaren5 vom Stamme des Tosken, Hirten des Pindus und Männer aus den griechischen Gränzprovinzen und der Morea, wie von den steilen Höhen des Taygetos. Da saßen die Bulukbaschi's6 mit ihren Buren7 des heimathlichen Phis8, die den Brokovalas9 gegen ihre ewigen Feinde, die türkischen Stämme, angestimmt. Zwischen den schlanken albanesischen Kriegern mit dem Phistan (Fustanelle) bekleidet, deren weites Gewebe aus 122 Stücken ihre Lenden umflattert, über der Flokota, dem rothen Unterkleid, den Djeferdane (Karabiner) in der Faust; – Soldaten der regulairen Armee von Griechenland mit Wehr und Waffen, wie sie aus den Garnisonen desertirt waren; oder die wilden zügellosen Bewohner Sparta's, die auf den ersten Ruf mit Maurokordato über den Golf von Patras gekommen und keinen andern Herrn kannten als den eigenen Willen, keinen andern Zweck als das Blutvergießen. Um den Kotsche gelagert,[12] das ganz gebratene Schaaf, hören sie dem Kaloïatri zu, dem wundersamen Heilkünstler aus dem Bezirk Zagori, der ihnen von der Kraft seiner Heilkräuter erzählt, bei welcher der Verwundete ungestört seinen Branntwein trinken darf, damit »das Fleisch lebendig bleibe«, oder dem Pliak10, der die mirditische Laute spielt und von den Tänzen seiner Palikaren singt.

In einiger Entfernung am Rande der Schlucht gingen zwei Offiziere, beide in der reichen Tracht der Palikaren, in eifrigem Gespräch auf und nieder. Der Eine war ein Mann von 36 bis 37 Jahren, der Andere um 10 Jahre älter, von wilder finsterer Miene, Grausamkeit und Zorn in dem blitzenden Auge: Theodor Grivas, der General der Aufständischen und Führer der Truppen vor Janina, ein Stiefohm seines Begleiters, des kühnen und edlen Anastasius Caraiskakis, dessen Züge unverkennbare Ähnlichkeit mit seinem Bruder zeigten, den wir zuletzt auf der Flucht aus Constantinopel verlassen haben.

An ihrer Seite ging ein Knabe in zerlumpter griechischer Kleidung, Mauro, der Pflegesohn des unglücklichen Räubers auf dem Pagus von Smyrna.

»Bei der Agia-Glykis, der sanften Heiligen11,« sagte Caraiskakis, »wir werden meinem Bruder Gregor nur Trauriges zu berichten haben, wie er uns böse und trübe Kunde gesandt. Für den Tod Diona's den Tod meines Bruders Nicolas. Der Name Grivas lebt in Dir allein noch fort.«

»So möge er mit mir sterben, ehe je wieder diese meine Heimath das türkische Joch trägt. Aber auch der Deine, Anastasius Caraiskakis, ruht nur auf vier Augen. Du und Dein Bruder Gregor Ihr habt kein Weib genommen.«

»Unser Leben, Theodoros, gehört dem Vaterlande und dem Kampf für die Freiheit.«

»Das meine nicht minder, und Weiberliebe ist ein erschlaffend Ding für den Mann. Ich wollte, Du hättest Dich immer fern davon gehalten, statt Dein Herz an jenes Mädchen von Messolonghi zu hängen, das die Seeräuber Dir entführten. Was wirst Du meinem Neffen Gregor antworten?«

»Die Wahrheit – es steht nicht gut mit uns, ich wollte, es[13] wäre anders. Deine Feindschaft mit Tzavellas, Oheim Theodoros, ist es, was unsere Sache schlecht macht und die Herzen der Unsern spaltet.«

»Bei dem Kakodämon dieser Berge,« fuhr der wilde Klephtenführer auf, »soll ich mich dem Sulioten unterthänig zeigen, der erst von Athen gekommen, als bessere Männer, denn er, bereits die blaue Fahne erhoben und die Osmanli bis zu den Thoren Arta's gejagt hatten? War ich nicht der Erste, der zum Epirus eilte und hat mich nicht der freie Wille der Klephten zu ihrem Führer gewählt?«

»Das hat er, Oheim, Niemand leugnet Deine Verdienste. General Tzavellas aber ist in den europäischen Kriegsschulen gebildet, ein Führer des königlichen Heeres, und sein Name steht in großem Ansehen durch ganz Griechenland.«

»Mag er; die Namen Grivas und Caraiskakis sind besser als der seine, denn Heldenblut hat sie geweiht. Ich bin ein Sohn des Pindus und nicht so gelehrt wie er, aber weinen Muth und meine Vaterlandsliebe stelle ich nicht unter die seinen. Laß uns nicht streiten, Neffe, Theodoros Grivas und seine Freischaar wird noch immer Raum zum freien Kampf gegen die Türken finden, auch wenn die Männer von Suli mir und meinen Leuten ihre Thore verschließen.«

Ein Anruf der Wache unter ihnen im Hohlweg, das albanesische »kum phis?« (weß Stammes?) und der Gegenruf »Wla!« (ein Bruder!), unterbrach ihr Gespräch.

Gleich darauf wurde von einem der eingeborenen Krieger ein Jüngling auf das Plateau und vor den Führer gebracht, um den sich alsbald der ganze Haufe mit jener Ungezwungenheit sammelte, die den freien Krieger der Berge von den geschulten Soldaten der europäischen Armee unterscheidet.

Der Fremde war ein junger Mann von etwa 16 Jahren, hoch und schlank gewachsen mit einem Adlergesicht. Über dem Gunjatz, dem wollenen Untergewand der Czernagorzen, trug er die Struka, den braunen zottigen Mantel, an den Füßen die Opanka und von dem bis zum Wirbel rasirten Schädel fielen die Flechten schwarzen Haares, welche das Vorrecht eines Kriegers bilden, auf seinem Nacken, obschon noch kein Bart Lippe und Kinn beschattete. Die Hand des Jünglings führte eine lange reich mit Silber beschlagene Flinte und an seinem Hals hing neben einem großen[14] Pulverhorn an einer seidenen Schnur ein getrocknetes Menschenhaupt. Seine Miene war ernst, ja finster, sein Wesen gemessen und schweigsam.

»Wer von Euch,« sagte der Fremde, indem er in die Mitte der Krieger trat, »ist der Beg Grivas, der Führer der tapferen Männer von Schamidien?«

»Ich bin es, Fremder, sage uns Deinen Namen!«

»Bogdan, der Sohn Iwo's, des Einäugigen, des Begs der Martinowitsch.«

Caraiskakis sprang auf ihn zu und faßte seine Hand.

»So bist Du der Sohn des Helden, dessen Brod mein Bruder vor seinem Tode gebrochen? Du bringst uns Kunde von dem Ende Nicolas Grivas's?«

»Dein Bruder fiel an der Kula des Popowitsch Gradjani, an der Seite meines Vaters und des Gatten meiner Schwester, Gabriel des Zagartschanen, seines Blutbruders, den er gerettet hatte aus dem Thurme von Skadar. Der Knabe Bogdan ist jetzt der Glaware der Martinowitsch, die Moslems nahmen das Haupt Iwo's des Tapferen mit von dannen, und auch der griechische Gastfreund ruht nicht in geweihter Erde.«

»So hat man den Leichnam meines Bruders nicht gefunden? ich hörte doch, daß Ihr die Türken geschlagen.«

»Die blutige Wölfin von Skadar trug den Körper davon auf dem Sattelknopf ihres Rosses. Was nutzten die Kugeln der Söhne der schwarzen Berge gegen ihr gefeytes Leben? Ich allein habe Schuld an dem Verderben der Meinen, denn ich trug das Pulver, das sie retten konnte, mit mir davon und zur Sühne seitdem das Unglückshorn und das Wahrzeichen meines Vaters, bis daß ich sein eigenes Haupt von den Thoren Skadar's gelöst habe.«

»Und was bringt Dich hierher, Czernagorze?« fragte Grivas.

»Eine Botschaft und meine Rache. Die Botschaft soll ich zu den Häuptlingen der freien Griechen bringen, von Danilo, dem Vladika der schwarzen Berge; Rache aber suche ich im Kampf gegen die, Mörder von Skadar, die dem Pascha von Janina zu Hilfe gezogen.«

Der junge Czernagorze wickelte aus einem seidenen Tuche das Schreiben des Fürsten Danilo, worin dieser den griechischen Führern seine Proclamation vom 16. März sandte, die das Volk von Montenegro zu den Waffen gegen die Türken rief, und einen Einfall[15] im nördlichen oder rothen Albanien, dem Lande der Mirditen, verhieß. –

»So ist die Nachricht wahr, daß Selim-Bey von Scutari mit tausend Arnauten dem Pascha von Janina zu Hilfe gekommen?«

»Ihr müßt sie von dieser Stelle in die Thore der Stadt haben einrücken sehen.«

»Sei uns willkommen, Bure Bogdan, und mögen Deine Thaten Deine Jugend vergessen machen.«

Grivas reichte ihm die Hand und führte ihn zu der Platane, unter welcher die Schaar sich gelagert hatte.

»Nimm Theil an unserm Mahl und erfrische Dein Herz an unserm Wein.«

Caraiskakis setzte sich an seine Seite und reichte ihm die große hölzerne Kalebasse. Sein Herz drängte ihn, Näheres von dem Schicksal des geliebten Bruders zu erfahren, den er selbst im Auftrage der Elpis nach Czernagora gesandt. Als daher Bogdan seinen Hunger und Durst gestillt hatte, wandte er sich mit neuen Fragen an ihn und wollte zunächst wissen, ob wirklich der Körper des jungen Mannes von dem Schlachtfelde entführt worden.

Bogdan erzählte ihm, was er selbst und seine Krieger geschaut.

»Sie ist eine Zauberin,« sagte er mit allem Aberglauben seines Volkes, »und die Bewohner von Skadar sagen, daß sie ein Vampyr sei. Zum Mindesten hat sie den bösen Blick und Niemand kann sie anschauen, ohne ein Leid davon zu tragen.«

»Aber warum soll sie den Körper meines Bruders entführt haben, wenn er wirklich todt war?«

»Die Wila's mögen es wissen! Schlimme Gerüchte erzählen sich die Weiber von Skadar seitdem von einem weiblichen Vrokoklak, den sie bei sich hat. Der böse Geist, der sie so lange als Wolf begleitet hatte und dessen Leib wir auf der Schlachtstätte fanden, ist seitdem in den Körper einer Sclavin gefahren, von der sie sich Tag und Nacht nicht trennt. Bei den sieben Heiligen von Ostrog! ich weiß, was ich rede, Beg, meine Augen haben das Gespenst geschaut, als ich ihrem Zuge folgte, zehn Tage lang bis zum See von Janina. Es wurde in einer Sänfte von zwei Maulthieren getragen.«

Die Erzählung des abergläubischen Czernagorzen klang so seltsam, daß Caraiskakis nicht wußte, was er daraus machen sollte. Auffallend war es ihm, daß der Körper seines Bruders von der[16] Kampfstätte durch die Arnauten bei ihrer wilden Flucht mit fortgeschleppt sein sollte, ohne daß sie einen gewissen Zweck damit verbanden, und er schloß daraus, daß sein Stiefbruder nur verwundet und als Gefangener davongeführt worden sei. Für das Weitere, ob er am Leben oder nicht, ob er später der türkischen Rache zum Opfer gefallen oder noch in den Gefängnissen von Skadar schmachte, bot freilich die Erzählung des jungen Glawaren keinerlei Anhalt, und dennoch überkam es ihn wie eine geheimnißvolle Ahnung, als ob sie mit dem Schicksal seines Bruders in Zusammenhang stände.

Er suchte Grivas auf und theilte ihm seine Hoffnungen und Zweifel mit. So unbestimmt sie auch waren, zeigte sich der General der Aufständischen doch alsbald damit einverstanden, daß sie die Gelegenheit der Anwesenheit der Männer von Skadar benutzen wollten, um auf irgend eine Weise von ihnen zu erforschen, was über das Schicksal des jungen Griechen etwa bekannt geworden war. –

»Die Verstärkung Abdi-Pascha's,« sagte Grivas, »läßt mich vermuthen, daß er bald einen Ausfall aus Janina machen wird, und es wird gut sein, wenn wir die Capitano's davon in Kenntniß setzen, und da die Türken uns überlegen sind, uns der Pässe nach Mezzovo versichern, wo wir den Weg nach Thracien und Macedonien, nach Larissa und Salonichi in unserer Hand haben. Dann mag Tzavellas von Arta her die Verbindung mit Janina bedrohen, während wir uns mit Chatzi vereinen und Zeinel-Pascha am Pindus aufhalten. Begleite mich bis Dervendzista, Neffe, dort will ich die Nacht zubringen, da ich Botschaft an die Primaten von Metzovo gesandt und ihre Antwort daselbst erwarte.«

»Und mein Bruder – Dein Neffe?«

»Wir werden sicher im nächsten Gefecht einige dieser Hunde von Ghegen gefangen nehmen, und ich lasse sie lebendig verbrennen, wenn sie nicht sagen, was sie wissen.«

»Wäre es nicht besser, einen Spion an unsere Freunde in Janina zu schicken und diesen die Nachforschung anzuvertrauen?«

»Es mag sein – indeß die Türken halten jetzt scharfe Wache und es wird ein schwieriges Unternehmen sein.«

»Ich habe mein Auge auf den Knaben gerichtet, den uns Gregor, mein Bruder, von Varna hergesandt hat. Er rühmt uns seine Schlauheit und die Weise, wie er sich durch ganz Rumelien zu uns durchgeschlagen, ist Beweis genug dafür. Ihn will ich zu[17] meinem Boten machen; der Knabe spricht fertig türkisch und ist klug und besonnen genug, daß er uns wichtige Dienste leisten kann.«

»So mache den Versuch,« sagte der General, »ich treffe unsere Anstalten zum Aufbruch.«

Mauro zeigte sich sogleich willig und nachdem er von einem der eingeborenen Albanesen eine Beschreibung der Stadt erhalten, die in den Strahlen der Abendsonne in der Entfernung von etwa anderthalb Meilen vor ihnen lag, machte er sich auf den Weg. Caraiskakis geleitete ihn eine Strecke und kehrte dann zu seinen Leuten zurück.

Der General mit etwa zwanzig Griechen war zum Abmarsch bereit und Caraiskakis, indem er seinem Lieutenant den Befehl des Postens anvertraute, begleitete ihn. Es war bereits am Spätabend, als sie in dem Dorfe Dervendzista nach einem scharfen Marsch anlangten. Hier quartirten sich die Führer bei dem Primaten des Orts ein, offenbar sehr gegen dessen Willen, doch mußte er der Nothwendigkeit sich fügen. In ihre Aba's12 gehüllt, lagen sie bald, nachdem eine Wache ausgestellt worden, in tiefem Schlaf.

Es war am andern Mittag, als der Bote von Metzowo eintraf, der Papa oder Priester des Ortes, und einen Brief an Grivas überbrachte; während sie ihr Yahni – ein Ragout von gekochtem Fleisch mit trockenen Erbsen – verzehrten.

»Die Primaten, meldet mir der Agent,« sagte der General, »sind geneigt, uns die Thore zu öffnen. Metzowo ist ein reicher Ort, und wir können dort unsern Leuten Sold und alles Nöthige verschaffen, während wir hier Noth leiden. Zuvor will ich Janina anzünden, daß sein Brand uns auf dem Weg leuchten soll.«

»Es wäre eine unnütze Grausamkeit,« wandte Caraiskakis ein, »Du weißt, wie viele Griechen dort wohnen und Handel treiben.«

»Was kümmert's mich,« tobte der wilde Grivas. »Bei der Panagia, dann hätten die Schufte uns längst die Thore öffnen sollen, ehe diese Hunde von Ghegen in die Festung gezogen sind, vor denen wir jetzt weichen müssen. Der Agent des Czaren, unsers Vaters, wünscht eine Zusammenkunft mit mir in dieser Nacht und schlägt mir die Palanka am Fuße des Mitzikeli auf dem Weg nach Gozista vor, eine Stunde von hier. Der Papa, den ich befragt, nennt sie ein festes Gebäude.«[18]

»Das Antlitz des Mannes gefällt mir nicht, so wenig wie das unseres Wirthes. Gott zeichnet in die Mienen der Menschen ihre Seele.«

»Der Pliak ist ein Japide, wie er selbst mir erzählte, und hat sich aus den acroceraunischen Felsen flüchten müssen, wegen einer Tscheta13 seines Phars14. Es sind Christen, weiter brauchen wir Nichts. Der Primat scheint von dem Strandrecht Beute genug zusammen gescharrt zu haben, weil sie ihn in diesem Dorfe zum Primaten gemacht, aber mitunter noch an den türkischen Gebräuchen zu sehr zu hängen. Hast Du nicht bemerkt, Anastasius, daß sein Weib noch nicht vor uns erschienen?«

»Vielleicht ist sie krank.«

»Bei den Unterirdischen, nein, ich habe sie vor einer Stunde über den Hof gehen sehen. So wahr ich die vierzig Märtyrer verehre, ich will nicht mißachtet sein von diesem Schurken von Japiden, bei dessen Namen ein wahrer Albani ausspeit. Sie hat uns das Brot und das Salz nicht gebracht beim Eintritt, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, so soll sie uns wenigstens den Becher bringen beim Scheiden. Du gehst von hier zurück auf Deinen Posten am Kloster und ich denke morgen bei Zeiten wieder bei Dir zu sein.«

»Wie viele der Gefährten nimmst Du mit, Oheim?«

»Sieben der Mainoten; es sind ihrer genug zur Aufstellung der Wachen. Laß uns aufbrechen, Anastasius, und mögest Du bald Kunde erhalten von dem anatolischen Knaben aus Janina.«

Während die Klephten sich zum Abmarsch anschickten, kam der Hausherr herbei, auf einer silbernen Platte die alterthümliche Trinkschaale mit dem rothblauen Wein der Höhen des Tzumerka-Gebirges, um den Abschiedstrunk seinen Gästen zu bringen. Der wilde Grivas jedoch warf ihm mit einem Schlage seiner Faust Becher und Platte aus der Hand.

»Räudiger Hund von einem Lapen,« fuhr er ihn an, »glaubst Du, einem freien Griechen die Ehre und Sitte Deines Hauses verweigern zu dürfen? Schaffe Dein Weib zur Stelle, daß sie uns, wie der Gebrauch es heischt, den Abschiedstrunk auf der Schwelle des Hauses kredenze.«[19]

Die Hand des Primaten, eines wildaussehenden Mannes mit niederer Stirn und von jener abschreckenden Häßlichkeit, welche seinen Stamm charakterisirt, fuhr nach dem Pistolenknauf in seinem Leibbund, ein Blick auf die Männer umher aber lehrte ihn Vorsicht. –

»Mein Weib ist krank, Herr, mein Gebieter möge sie entschuldigen.«

»Du lügst, Primat. Es liegt uns wenig daran, ihre Häßlichkeit zu schauen, die der Deinen gleichen mag, aber ein Japide soll uns nicht Hohn sprechen. Laß Dein Weib den Becher bringen, oder Deine Fußsohlen sollen es entgelten.«

Der Hausherr schlich mit finsterm Blick davon. Einige Augenblicke nachher trat aus dem Innern des Hauses, von einer Dienerin begleitet, die Frau, zum Staunen der Krieger, welche die Häßlichkeit einer Lapin zu sehen erwartet, eine Schönheit von antiker griechischer Form, auf deren edlem Antlitz nur die Blässe geistigen Leidens die schöne Sammetfärbung und den Glanz der dunklen Augen milderte. Das schöne Haupthaar fiel in drei Zöpfe getheilt und mit Piastern durchwunden über den Nacken, die Halsbänder von den rothen Corallen Corfu's, die silbernen und goldenen Armspangen und Gürtel, das reiche mit seidenen Troddeln gezierte Hemd und die im Luftzug der Veranda fliegenden vier um den Leib gebundenen bunten Schürzen zeigten die wohlhabende albanesische Hausfrau. Mit der edlen griechischen Verneigung, der Bewegung der Rechten an Brust und Stirn, ergriff sie die silberne Kanne, welche das Mädchen auf gleicher Platte ihr nachtrug, und war im Begriff, die Pflichten der Wirthin zu erfüllen, als ihr großes Auge auf Caraiskakis fiel, der bei ihrem Eintritt, zufällig mit einem der Krieger sprechend, ihr den Rücken gewandt hatte, und sie jetzt gleich einer Bildsäule anstarrte.

Der Krug entfiel ihrer zitternden Hand und der rothe Strom des Weines ergoß sich über die Steinplatten des Bodens.

»Anastasius!« das einzige Wort entquoll ihrem hochathmenden Busen, dann sank sie bewußtlos in die Arme des herbeispringenden Griechen.

»Aphanasia!« schrie der Offizier wild auf und preßte die Ohnmächtige an seine Brust. »Geliebte meines Herzens, Du das Weib dieses Mannes!«

Der Primat stürzte sich zwischen die Beiden, seine boshaften[20] Augen funkelten in eifersüchtiger Wuth, als er sie mit Gewalt zu trennen suchte.

»Zurück, Beg, es ist mein Weib, mein Eigenthum! Achtet Ihr so die Sitte des Landes, das Ihr befreien wollt? Laßt sie los, sag' ich, oder, bei dem Gott meiner Väter! ich stoß' Euch dieses Eisen durch die Rippen!«

Eine starke Faust jedoch erfaßte den Wüthenden und schleuderte ihn den umstehenden Kriegern zu.

»Haltet ihn fest und schlagt ihn zu Boden, wenn er sich rührt,« befahl Grivas. »Was ist's mit dem Weibe, Neffe, woher kennst Du sie?«

»Das Mädchen von Messolonghi, Aphanasia Dulanyi, die vor zehn Jahren die Piraten entführten!« Er suchte mit Hilfe der Dienerin die Frau in's Leben zurückzurufen.

»Die Tochter meines Waffengefährten am Asprospotamos? So ist dieser Hund von Japiden der Pirat, der sie raubte. Bindet ihn, Kameraden; der Schurke hat eine griechische Jungfrau gestohlen, um sein schmuziges Blut mit ihr zu mischen. Es soll strenges Gericht gehalten werden über ihn, und wehe ihm, wenn er schuldig ist!«

Die Mainoten, die sich auf den Primaten warfen, schnürten dem Tobenden die Arme zusammen, Männer und Weiber des Phars sammelten sich um die Scene, und wie wenig auch der von den Türken eingesetzte Primat beliebt sein mochte, schüttelten sie doch bedenklich die Häupter, denn Haus und Weib sind auch dem christlichen Orientalen so heilig, daß ein Eingriff in diese Rechte bei ihm stets etwas sehr Bedenkliches und Gefährliches bleibt.

Aber Grivas war nicht der Mann, sich um das Mißfallen einer Dorfschaft zu kümmern oder seinem Willen deshalb Zügel anzulegen. Den Bemühungen seines Neffen war es unterdeß gelungen, die Frau zum Bewußtsein zu bringen, und er trug sie in das Gemach zur Seite des Flurs und legte sie auf die Bank von Rohrgeflecht nieder. Mit der glühenden Leidenschaft des Südens kniete er vor ihr und küßte ihre Arme und ihre Stirn, mit hundert süßen Worten die schöne Zeit ihrer Liebe an den blauen Gewässern des Golfs von Patras zurückrufend.

Sie erzählte ihm ihr Geschick. Der Primat selbst, früher einer der berüchtigsten jener Seeräuber der acroceraunischen Felsenschluchten[21] an den Abhängen des Chimära-Gebirges, zwischen Cap Linguetta und Delvino, – die mit ihren schnellen Tartanen an den griechischen Küsten umherschweifen bis hinüber nach Calabrien, Ufer und Meer unsicher machend und vor den Verfolgungen sich in ihre unzugänglichen Skaloma's flüchtend, – hatte sie bei einem Spaziergange am Meeresstrande mit zwei anderen Mädchen gefangen genommen und in die wilden Berge Ljapuriens geschleppt, wo er sie durch Mißhandlungen zwang, ihn zu heirathen. Später durch seine Seeräubereien reich geworden, hatte er seine Heimath verlassen und, durch ein Geschenk den Schutz des Pascha's von Janina erkaufend, sich in Schamurien niedergelassen, wo jener Schutz ihm zu Amt und Ansehen verhalf. Aphanasia, die bei dem Raube eine sechszehnjährige Jungfrau gewesen, hatte dem aufgezwungenen Gatten zwei Kinder geboren, von denen nur das jüngste, ein Mädchen von drei Jahren, noch lebte und der einzige Trost der Frau war, die noch immer argwöhnisch von dem ehemaligen Piraten bewacht wurde.

Das war es, was die nunmehr sechsundzwanzigjährige Frau ihrem früheren Geliebten und dieser dem General jetzt mittheilte. Grivas sprach ein kurzes Urtheil, obschon dergleichen Gewaltthaten, wie der Seeraub von Frauen, an den Küsten Griechenlands eben nichts Seltenes sind: der Japide sollte erschossen werden; aber Aphanasia warf sich zu seinen Füßen und bat für das Leben des Vaters ihres Kindes.

Auch Caraiskakis erklärte sich auf das Bestimmteste gegen die blutige That. – »Kenamon15,« sagte der wilde Führer, »Ihr wißt nicht, was Ihr bittet, denn ich wollte Euch von Eurem Tyrannen mit gutem Blei befreien. Der Capitano Delanhi mag selbst über Euch bestimmen, denn Eurem Vater muß ich Euch zuführen, das fordert meine Ehre, obschon er es mit Tzavellas hält und bei Arta steht. Mein Neffe wird Euch nach dem Kloster der armen Heiligen bringen, bis ich Euch weiter geleiten lassen, kann. Für Euer Eigenthum aber wollen wir selbst sorgen, es ist gerecht, daß der Gatte seine Frau ausstatte.«

Der General duldete keinen Widerspruch weiter, und um eine blutige That zu verhindern, mußte sich Caraiskakis darein finden, daß die Klephten die Wohnung des Primaten plünderten und die werthvollsten[22] Gegenstände, nachdem die eigenen Taschen bedacht waren, auf einen Esel luden, als das Eigenthum der Frau, die der Machtspruch des Führers geschieden. Dann wurde sie selbst mit ihrem Kinde auf eines der kleinen griechischen Pferde gesetzt und Caraiskakis führte es am Zügel, von dem Rest der Truppe umgeben, zurück nach dem Posten am Kloster, während der General mit den sieben Mainoten sich nach dem Gebirge wandte. Keiner der Bewohner wagte, ihrem Abzug Widerstand zu leisten, denn die langen Flinten der Klephten hatten die friedlichen Schamiden in ihre Wohnungen vertrieben, wo sie sich versteckt hielten.

Zu dem wuthknirschenden Japiden, der noch immer gebunden in der Veranda seines Hauses lag, schlich der Papa.

»Es ist Dir schlimm gegangen, Freund Petros. Die Vorsicht, mit der Du Dein schönes Weib verborgen, hat Dir wenig genützt, und der griechische Capitano wird diese Nacht an ihrem Busen ruhen.«

»Mache mich nicht wahnsinnig, boshafter Kalorgi. Was kümmert mich das Weib, wenn ich mich rächen kann an dem Hunde, der mich bestahl! Löse meine Bande, Papa, denn meine Seele dürstet nach seinem Blut.«

Der Pfaffe nahte ihm vorsichtig. – »Haben die Griechen Dir Alles genommen, Petros?«

»Hältst Du mich für einen Esel, Papa, daß ich mein Geld offen den Räubern hinlege? Sie haben mir viel gestohlen, aber es bleibt mir genug, um ihr Verderben zu erkaufen. Ich gehe zu Abdi-Pascha nach Janina, und meine Zechinen sollen eine Schaar von Burschen zu meiner Rache sammeln, die gleich den Pagania's16 ihrer Spur folgen sollen.« Er streckte ihm die gefesselten Arme entgegen zur Befreiung.

»Wenn Ihr mir zwanzig Zechinen gebt, Petros,« sagte der schurkische Priester, indem er langsam die Stricke zu lösen begann, »so will ich Euch ein Geheimniß vertrauen, das Euch volle Rache an Euren Feinden sichert und Euch wieder zu Eurem Weibe und Eurer Habe verhilft.«

»Du sollst sie haben.«

»Schwört bei der Panagia!«

»Bei der Panagia und bei allen Heiligen, die Du willst.«[23]

»Wohl; ich weiß, daß Ihr in Gunst steht bei dem Pascha, aber die Nachricht, die Ihr ihm bringen könnt, wird diese Gunst noch erhöhen. Ihr wißt, daß ich für den Griechen in Metzovo war, ich mußte den Weg machen, denn der Diakon des Klosters hatte mir den Auftrag gesandt und ich wurde bezahlt dafür. Aber ich habe unterwegs den Brief gelesen, den mir der verkleidete russische Offizier in Metzovo gab, und weiß, was ich weiß. Ihr gebt mir die zwanzig Zechinen, Petros, und theilt den Lohn mit mir, den Euch der Pascha dafür giebt, daß Ihr die Feinde in seine Hände liefert?«

»Du sollst es haben, Papa, ich schwöre es Dir mit sieben Eiden!«

»So laßt uns Beide eilig auf den Weg machen nach Janina, denn jeder Augenblick ist kostbar!«


Durch den Hain duftiger Citronen und rother Granaten, der den südlichen Abhang von Janina bedeckt, schlenderte der Knabe Mauro hinter einigen Seidenarbeitern d'rein, deren kunstvolle Webereien noch heute eine Haupterwerbsquelle der seit Ali's Tode auf die Hälfte ihrer Einwohnerzahl heruntergekommenen einst so blühenden Stadt bilden. Sie kamen von den Plantagen der Maulbeerbäume, die mit Citronen und Oliven den südlichen Gürtel der Stadt außerhalb der Ringmauern bilden. Denn wenn auch die griechischen Insurgenten kaum anderthalb Meilen von der Stadt lagerten und bereits mehrfache Angriffe auf diese gemacht, ja sogar ein Mal innerhalb der Mauern sich festgesetzt hatten, betrieb doch die griechische Bevölkerung ungestört ihren Handel und ihre Industrie. Diese Gleichgültigkeit bei der Gefahr, diese ungestörte Thätigkeit und Beweglichkeit neben dem Abgrunde ist einer der eigentümlichen Züge des orientalischen Lebens.

Ein großer Molosserhund, eine jener kolossalen epirotischen Doggen, in deren Begleitung unbesorgt die mirditischen Jungfrauen durch die ödeste Wildniß schreiten, sprang an der Straße daher und warf den Knaben zu Boden. Aber Mauro klammerte sich an den vergoldeten Sammetreif, der den Hals des Hundes zierte, und ließ sich furchtlos von ihm fortziehen. Das gefährliche Spiel weckte die Aufmerksamkeit der Reiter, die der Dogge folgten.

Die hervorragendste Gestalt war eine türkische Frau zu Pferde,[24] gleich den Männern in den weiten seidenen Beinkleidern im Sattel sitzend, die goldglänzende Toka – den Flügelharnisch der Ghegen, aus leichten Goldschuppen gebildet – um Brust und Schultern, auf dem Haupte den Turban mit hoher Reiherfeder, von dem ein leichter, halb durchsichtiger Schleier statt des unförmlichen Yaschmaks über Kopf und Gesicht niederhing, der die Trägerin am freien Umherschauen nicht behinderte, während er genügte, sie als Bekennerin des Propheten zu zeigen, obschon in vielen Gegenden Albaniens die Frauen auch der mohamedanischen – meist schiitischen – Stämme17 unverschleiert gehen.

Auf der Hand der Dame saß in seiner Kappe der Falke, während ihre Linke das muthige weiße Roß an den aus rothem Sammet und breiten Goldtressen gebildeten Zügeln bändigte.

Ihr zur Rechten, dem Ehrenplatz der Mohamedaner, ritt eine zweite Frauengestalt, die Erste noch an Größe überragend, quer auf einem Maulthiere, nach europäischer Sitte. Sie war jedoch vom Scheitel bis zur Sohle in einen weiten Feredschi und Yaschmak von grüner Farbe, der heiligen der Moslems, gehüllt, aus dem allein die Augen hervorblickten. Selbst die Hände verschwanden unter den weiten Falten des Mantels. Die dritte Person der Reitergruppe bildete ein junger, in weite weiße, nur von einem rothen Shawl zusammengehaltene Gewänder gekleideter arabischer Scheik. Das bronzefarbene Gesicht mit den großen dunklen Augen und der schön geformten Adlernase über den schmalen Lippen schaute kühn und trotzig aus der weißen capuchonartigen Umhüllung hervor. Seine Hand führte die lange schlanke Lanze der Araber, während die mit Silber und Perlmutter eingelegte Luntenflinte über seinem Rücken hing.

Etwa hundert Schritt hinter der eben beschriebenen Gruppe folgte bunt durch einander ein Haufen arabischer und albanesischer Krieger als die Schutzwehr der Reiter, die an den sumpfigen Lagunen, in welche der See Labchistas verschwindet, den Reiher gejagt hatten.

Die grüne Reiterin berührte leicht den Arm der glänzenden Dame an ihrer Seite und ihre verhüllte Hand deutete nach dem gefährdeten Knaben, nur dem der große Molosserhund wie der Löwe mit seiner hilflosen Beute sich balgte.[25]

»Ruhe, Scheitan!«

Die große Dogge, die den erschlagenen Wolf bei Fatinitza, der Tochter des Pascha's von Skadar, ersetzt hatte, folgte gehorsam dem ersten Ruf ihrer Stimme und sprang an der Seite ihres Pferdes empor, ihre Füße und die entgegengestreckte Hand liebkosend. Der Knabe Mauro aber lief, als habe ihn das gewalttätige Spiel des Hundes gar nicht erschreckt, neben den Reitern neugierig her, obschon von dem Fall auf den Boden das Blut von seiner Stirn rann.

»Wende das Licht Deiner Augen auf dies Kind, dunkle Rose des Sees,« sagte der Emir mit der blumenreichen Sprache seiner Heimath. »Der Prophet sagt: Wenn Dein Sclave, oder Dein Roß, oder Dein Hund den Unschuldigen verletzt hat, bist Du schuldig, den Schaden zu vergüten.«

»Inshallah! kann ich mich um jeden Bettler kümmern? – Was geht der schiitische Bube nicht meinem Thiere aus dem Wege?«

»Es ist Gerechtigkeit in der Wüste,« sagte der Araber, »lasse sie mich nicht vermissen an der stolzen Blume der Felsen. Dein Hund hat diesem Knaben ein Leides gethan.«

Wiederum legte sich die Hand der Verhüllten auf den Arm der, wilden Schönen und die Bewegung schien eine merkwürdige Macht über sie zu üben, denn sogleich bezwang sie ihre Heftigkeit.

»Du redest weise, Araber, und ich habe Unrecht,« sagte sie mit möglichster Milde ihrer Stimme. »Bist Du ein Knabe aus Janina, Kind?«

»Mein Vater war ein Tapferer aus Rumili und ist im Kampfe gegen die Ungläubigen gefallen,« berichtete Mauro, nebenher trabend. »Ich habe keine Angehörigen und bin eine Waise, die vom Thau der Barmherzigkeit lebt, den Allah mir sendet.«

»Ich habe gesehen, daß Du muthig bist, Knabe,« sagte die Tochter des Pascha's, »und Du sollst mein Oglan sein, bis Du ein Mann wirst. Gehe mit den Reitern dort und sage ihnen, Fatinitza habe es befohlen.«

Während der Knabe zurückblieb, galoppirten die Drei weiter durch das Thor der Ringmauer und in's Innere der Stadt.

Janina, vom Sebastokrator Michael Lukas gegründet, im zwölften Jahrhundert bereits durch die Normannen von Neapel aus zerstört, dann von den serbischen Königen wieder aufgebaut und durch französische Ingenieure unter. Ali Pascha zur starken[26] Festung gemacht, zeigt seit seinem Fall innerhalb der weitläufigen Ringmauern nur wüste Stätten und verödete Straßen. Eine Kaserne des Nizam steht an der Stelle des einst über der Stadt thronenden Schlosses Litharitza, von dem nur ein kolossaler fünfstöckiger Thurm noch übrig ist. Der Platz des Castro, das mit seinen Trümmern und seinen unbrauchbaren Geschützen den ganzen in den See vorspringenden Hügel einnimmt und über welchen die Gesellschaft jetzt zu dem schmalen Damme ritt, der die Insel Kulia mit dem berühmten Serail und dem Turbeh18 des Löwen von Janina einnimmt und auf dem Ali die zahllosen Opfer seiner Grausamkeit hängen, spießen, schinden und lebendig verbrennen ließ, bot jetzt ein buntes Lager der mirditischen und arabischen Hilfstruppen in tausend bunten Bildern und Gruppen. Über den Raum hinweg folgte der Knabe Mauro den Reitern bis in den äußern Hof des Serails, wo Abdi Pascha gleichfalls seine Residenz aufgeschlagen hatte. Hier blieb er bei den Arnauten zurück, denen er die Rosse füttern und die Waffen putzen half, und der schlaue Knabe verstand es bald, das Gespräch auf ihre Heimath und ihre Thaten gegen die Männer der schwarzen Berge zu bringen.

Während so der junge Spion geschickt seine Zwecke verfolgte, betraten Fatinitza und ihre Begleiter das Turbeh – jenen schauervollen Ort, an dem Ali dem Verrath des Franzosen erlag, und den Abdi-Pascha seinem Collegen Selim zur Wohnung angewiesen. Der junge arabische Scheich, der seit der Ankunft der Mirditen am vorigen Morgen, von dem freien und seltsamen Wesen Fatinitza's angezogen auf allen Tritten, wo sie sich außerhalb des Haremliks nach ihrer gewöhnlichen allem Zwang Hohn sprechenden Sitte zeigte, ihr gefolgt war, benutzte die Gelegenheit, als die grüne Khanum – wie sie die Begleiter der Wölfin nannten, – vom Pferde stieg, um sich dieser zu nahen.

»Weise Frau,« sagte er eilig zu ihr, »auch in das gesegnete Arabien kommen die Zauberinnen von Oman, die die Zukunft verkünden und mit dem Reich der geheimnißvollen Geister verkehren, und Abdallah ben Zarugah hat sie stets geehrt und geschützt. Der Sohn der Hedja's ist reich an dem Goldsand seiner Heimath und den Perlen des Meeres von Persien. Bei der heiligen Kaba von Mekka! Du sollst den zehnten Theil seiner Schätze haben,[27] wenn Du die Purpurrose des Gebirges mit Deinen Worten bewegst, oder ihm einen Liebestrank bereitest, daß sie ihr Ohr seinen Wünschen öffnet.«

Die Verhüllte neigte das Haupt und folgte der Herrin, die bereits nach ihr rief, während Abdallah seine Schritte zurück zu seinen Kriegern wandte, die auf dem Platz des Castro ihr Lager aufgeschlagen.

Im innersten Gemach des Haremliks warf Fatinitza den Schleier und den Kaftan von sich, und nahte der grünen Verhüllten.

»Lege Yaschmak und Feredschi von Dir, o Licht meiner Augen; Du weißt, Äjischa, der Einzigen, die unser Geheimniß kennt, ist der Mund auf ewig geschlossen.«

Sie wies auf die schwarze Sclavin, die auf eine Matte im Gemach kühlenden Sherbet, Wein, die Früchte der Jahreszeit und jenes süße Backwerk und Eingemachte zum Mahl stellte, in dessen Bereitung die Bewohner Janina's berühmt sind.

Die Verhüllte warf Schleier und Mantel zu Boden und sich mit gekreuzten Armen und allen Zeichen finsterer Ungeduld auf den Divan. Es war eine sonderbare Gestalt, die sich nach der Entledigung der weiten Hüllen zeigte, halb Mann, halb Frau, in deren Gewändern. Ein bleiches schönes Männergesicht mit sorgfältig rasirtem Bart unter dem frauenmäßig geringelten Haar, quer über der Stirn eine breite tiefe Narbe, den Körper in ein seidenes Oberkleid, wie es die türkischen Weiber tragen, gehüllt, eben solche weite Beinkleider und gelblederne Strümpfe an den Füßen, das dunkle Auge stammend vor Unwillen über die unpassende Verkleidung, so lehnte er finster auf dem Kissen – Nicolas Grivas, der schöne Grieche, der Erschlagene von der Kula des Popowitsch Grabjani an den Ufern der Moratscha.

Gleich einem schüchternen bittenden Kinde hatte sich das wilde Mädchen auf ein Kissen zu seinen Füßen geworfen.

»Will mein Herr nicht Speise und Trank genießen?«

Der Grieche schwieg finster.

»Stern meines Lebens,« bat das Mädchen, »was hat Fatinitza gethan, daß Du ihr zürnst? Thue ich nicht, was der Odem Deines Mundes will? Bin ich nicht ein verändertes Weib, das sein eigener Erzeuger kaum wieder erkennt? Hab' ich nicht das wilde Blut, das durch meine Adern tobt, gebändigt, und die Schmach,[28] die Du mir angethan im Thurme von Skadar, vergolten mit Deiner Rettung?«

»Fluch über sie,« rief wild der junge Mann, »hättest Du mich sterben lassen an der Seite meiner Gefährten, die Deine Grausamkeit erschlug, blutige Wölfin von Skadar, es wäre mir besser, als daß ich lebend in der unwürdigen Mummerei eines Weibes der Sclave eines solchen bin und mich verbergen muß gleich einem Aussätzigen.«

Die Türkin sah ihn finster an.

»Undankbarer Christ,« sagte sie, »ist das der Lohn für das Herz Fatinitza's, der Du hundert Mal Gehorsam und Treue gelobtest, als Du aus zehn Wunden blutend im Kiosk am See ruhtest, wohin sie Dich mit eigener Gefahr gebracht, und Azraël, der Engel des Todes, an Deiner Seite stand? Deine Wunden habe ich verbunden und mit heilendem Balsam gesalbt, und bin täglich zu Deinem Lager auf flüchtigem Roß geeilt, oder auf dem Kahn mit schwellendem Segel, zu Dir, der Fatinitza verrathen hatte in der Stunde der Liebe, der schmachvoll das Heiligthum ihres Leibes den Augen des hündischen Czernagorzen preisgegeben, daß ich sie Alle rächend erschlagen mußte! Als ich den Genesenden dann zu mir führte im süßen Geheimniß, das der Tod der Sclaven erkaufte, die Dich so lange bedient, – als Du wohntest in meinen Gemächern und allnächtlich mein Arm Dich umschlang, und Dich preßte an dies heiße wilde Herz – hast Du mir nicht geschworen, daß Du die Freuden der sieben Himmel des Paradieses verschmähen würdest an meiner Brust? Undankbarer Christ, Deine Liebe ist flüchtig wie die Wolke, die über den See zieht und die Rose, deren Blätter der Wind zerstreut.«

»Ich liebe Dich, Fatinitza, bei dem Kreuz meiner Väter!« sagte in milderem Tone der Gefangene. »Aber ich bin ein Mann und diese Mummerei ist unerträglich.«

»Du weißt, o Licht meiner Seele,« flehte das Mädchen, »daß es das einzige Mittel war, Dich in meine Nähe zu bringen. Die weise Frau, die ich in das Haremlik meines Vaters führte, ist sicher vor jedem Argwohn, und ihr stilles Leben fordert den Lauscher nicht heraus. Die Diener und Krieger des Pascha's scheuen Deine Nähe, denn sie schreiben Dir Macht über die Geister zu und fürchten Dich, wie sie mich gefürchtet haben. Selbst ich jedoch vermöchte Dich nicht zu schützen vor dem Zorn Selim's, meines[29] Vaters, und der Blutrache seiner Arnauten, wenn sie ahnten, daß Du einer der verrätherischen Czernagorzen bist.«

»Aber dies Spiel muß ein Ende haben, ein Zufall kann Alles entdecken. Und warum, Fatinitza, hast Du mich hierher geführt in die Mauern von Janina? Ich habe die Fahne meines Volkes wehen sehen auf den Bergen jenseits der Stadt und kaum weiß ich noch, daß Dein Volk im Kriege mit dem meinen. Warum enthältst Du mir jede Kunde vor?«

Das wilde Mädchen saß schmeichelnd auf seinem Schooß, den Arm um ihn geschlungen, mit der andern Hand einen Becher des feurigen griechischen Weins an seine Lippen führend.

»Habe ich nicht geschworen, Dich nie zu verlassen, und ist nicht Deine Sicherheit allein in meiner Nähe? Was kümmert uns der Kampf zwischen Deinem und meinem Volk? – sieh', Fatinitza, die Wölfin, ist eine Taube geworden auf Dein Geheiß und zieht nicht mehr in die Schlacht, wenn auch noch die Toka ihre Brust bedeckt. O, liebtest Du mich heiß und glühend, wie Fatinitza Dich liebt, Du hättest längst den verhaßten Glauben der Christen mit der Lehre des wahren Propheten vertauscht und wenn Azraël seinen schwarzen Fittig breitet über das Haupt meines Vaters, wärest Du der Herr von Skadar und Fatinitza Deine Khanum.«

Er schwieg, dem liebeglühenden Weibe gegenüber hatte er nicht die Kraft, ihre Träume von Glück und Glanz zu vernichten. Der verzehrende Hauch dieser leidenschaftlichen Gluth betäubte sein bessres Selbst und entflammte stets auf's Neue die Gewalt seiner Sinne. Der dämonisch-glühende Blick ihres Auges unter dem Flor sehnsüchtigen Schmelzes übte noch immer seinen geheimnißvollen Zauber auf ihn und tief im Herzen fühlte er, daß nur ein unerwartetes Ereigniß ihn aus diesen Banden zu befreien vermöchte, wie einst die Hand des Blutbruders ihn vom Lager der Syrene zu Skadar gerissen.

Sie zog ihn nieder zu sich auf die weichen Kissen und Teppiche, und umstrickte ihn mit ihren Armen. Unter den glühenden Küssen des Türkenmädchens war sein Herz doch bei den Fahnen seiner Glaubensbrüder auf den Höhen vor Janina, von denen so lange ihm nur dunkle Kunde geworden. – – –

Die Liebenden weckte am späten Nachmittag der Eintritt der stummen Sclavin Äjischa, die, den Teppich des Eingangs hebend, durch Zeichen der Herrin verkündete, daß der Pascha, ihr Vater,[30] im Haremlik erschienen sei und sie zu sprechen verlange. In Eil wurde der junge Grieche wieder in Mantel und Schleier gehüllt und nahm seinen Sitz im Winkel des Divans, die Kugeln des Rosenkranzes durch seine Finger gleiten lassend, während Fatinitza die Spuren des schwelgerischen Mahles schnell verbarg.

Selim-Bey, der Pascha von Skadar, dem wir bereits in seiner Gerichtshalle begegnet sind, nahm nach der Begrüßung der Frauen in der Ecke des Divans Platz, und auf den Wink Fatinitza's brachten ihm die eintretenden Sklavinnen den Tschibuk und frischen Kaffee.

»Ich komme, Tochter meiner Liebe,« sagte der greise Pascha, »um Dir zwei Dinge zu sagen. Möge Dein Ohr und Dein Herz geöffnet sein, sie zu vernehmen.«

»Ich höre.«

Grivas erhob sich, um Vater und Tochter allein zu lassen; der Bey aber winkte ihm zu bleiben:

»Der Rath einer weisen Frau ist niemals von Übel. Möge Deine Weisheit Einfluß haben auf das Herz Deiner Freundin. Ich bitte Dich, bleib.«

So aufgefordert mußte der Grieche gehorchen und nahm stillschweigend seinen Platz wieder ein.

»Du bist die Einzige, die mir geblieben von vielen Kindern,« sagte der Bey, »und meine Liebe hat mich verführt, Deinem Willen keine Schranken zu setzen. Inshallah – es war gottlos und ich bin ein gestrafter Vater dafür, der seinen Nacken beugen muß unter den Pantoffel seiner Tochter.«

»Du redest unklug, Vater,« entgegnete das Mädchen unwillig, »Fatinitza liebt Dich!«

»Ich weiß es,« sagte der Alte sich den Bart streichend, »was wäre ich sonst! Aber die Weiber können nicht immer im Haremlik des Vaters bleiben. Sie sind bestimmt zur Freude des Mannes. Du hast der Bewerber so viele ausgeschlagen, o Kind, daß meine Haare grau geworden vor Alter und Sorge.«

»Was kann ich thun?« antwortete die trotzige Tochter, »Fatinitza mag nicht die Hündin eines Mannes sein, den sie nicht liebt. Sie ist das Kind der freien Berge.«

»Bana Bak, ai gusum – er ist ein schöner Mann!«

»Wer – von welchem Manne redest Du, daß er es wagt, seine Augen zu mir zu erheben?«[31]

»Mashallah! es ist Zeit, daß Du einen Mann wählst, denn Du läufst seit Jahren umher, wie eine wilde Ghegin, den Geboten des Korans zum Trotz. Der Emir Abdallah ben Zarujah ist ein Fürst im Lande Hedja's, er hat Dich in sein Herz geschlossen und begehrt Dich zum Weibe.«

Die gehorsame Tochter spreizte verächtlich alle zehn Finger aus. –

»Kommst Du nur hierher, Bey, um Deinem Kinde in's Gesicht zu lachen? Bosch, er ist Nichts, er ist ein wilder Araber, ein verachteter Sohn Ismael's!«

»Du hast so viel bessere Heirathen verweigert,« sagte unwillig der Alte, »daß Du froh sein magst, wenn ein Tapferer Dich begehrt. Der junge Mann gefällt mir, wenn er auch ein Araber ist. Ich höre, er ist reich in seinem Lande und hat Schlösser im Lande Yemen. Du weißt, ich bin alt und das Leben in diesen rauhen Bergen gefällt mir nicht mehr. Ich will meine Fahrt nach Mekka machen, zur heiligen Kaba, bevor ich sterbe, und ich werde Dich begleiten, wenn der Sultan, unser Herr, diese Ungläubigen in den Staub getreten und den Krieg beendet hat.«

»Hai! hai! ich aber will dies Land nicht verlassen.«

»Der Emir ist tapfer – ich habe Freunde in Stambul und bin reich,« schmeichelte der Bey; »wenn Du ihm nicht folgen willst, und es sei fern von mir, Dich zu zwingen, so wird es mir mit Allah's Hilfe leicht sein, ihn zu meinem Kaimakan19 und Nachfolger im Paschalik von Skadar oder Janina machen zu lassen, da Abdi, mein Freund, nach Rumelien geht, wenn die aufrührerischen Griechen gezüchtigt sind.«

»Wallah – was sind das für Träume? Bin ich eine Kuh, die man verhandelt auf den ersten Blick? Meint der Emir, die Frauen von Albanien seien wie die Mohrinnen der Wüste, die man auf dem ersten besten Markte kauft; oder denkt er, ich sei eine öffentliche Tänzerin, weil ich mein Gesicht nicht unter dickem Schleier zeige?«

»Delhi der! die Weiber sind toll! es ist Unsinn, was Du sprichst, – ich will meinen Willen haben oder ich sperre Dich ein.«

Die wilde Schöne lachte hell auf bei der Drohung, deren Werth sie vollkommen durch die Gewohnheit kannte.[32]

»War meine Mutter eine Mirditin oder nicht? stamme ich vom Blute des großen Begs von Ak-Serai20 – oder bin ich eine verachtete Japidin, daß Du so mit mir sprichst? Geh – Du hast graue Haare und redest Thorheit. Fatinitza wird sich eher von den schwarzen Felsen in die Wellen des Meeres stürzen oder zu dem Volk ihrer Mutter zurückgehen und eine Kreuzträgerin werden, ehe sie einen Mann heirathet, den sie nicht selbst gewählt hat.«

Der gläubige Moslem strich sich zornig den Bart über die jeder andern Frau den sichern Tod bringende Drohung, aber er wagte, so tapfer und streng er im Felde oder unter seinen Tschokodars und Arnauten war, Nichts zu erwidern, und ließ diesen, Punkt des Gesprächs fallen.

»Wir werden diese Nacht gegen die Feinde ziehen,« sagte der Pascha, »und sie schlagen. Abdi wendet sich gegen Rapsista und das Kloster, wo der Grieche Caraiskakis steht. Mir und dem Emir hat der Prophet einen wichtigen Fang in die Hand gegeben. Ein griechischer Imam und der Primat eines Dorfes haben uns Kunde gebracht, wo der Aga der Griechen mit wenigen seiner Gefährten die Nacht zubringen wird. Die Feinde des Islam sind unter unsern Sohlen.«

»Wie heißt der Aga der Christen?«

»Ich habe es vergessen; aber er ist der blutige Feind der Moslems – Fluch über die Gräber seiner Väter; ich werde sein Haupt nach Stambul senden, wie ich mit dem Kopf des einäugigen Begs der Czernagorzen gethan, und die Roßschweife sind mir sicher. Wirst Du mich begleiten, Tochter des Propheten, um die Niederlage der Feinde unsers Glaubens zu schauen?«

Eine heftige Bewegung der Verhüllten auf dem Divan machte Fatinitza erbeben.

»Die heilige Frau, die die Stimme der Engel Allahs hört,« sagte sie eilig, »hat mich belehrt, daß die Weiber dem Kampfe der Männer fern bleiben sollen. Ich werde für Euern Sieg beten.«

»Gesegnet sei der Rath dieses Weibes,« rief erfreut der Pascha, »sie redet weise wie Lokman, obschon sie nie zu uns Männern spricht. Die Frau gehört in das Haus und der Mann[33] in die Schlacht; Dein wilder Sinn, o Kind, nach dem Treiben der Männer hat mir oft bittern Gram und mich zittern gemacht für Dich. Nimm diesen Ring zum Dank für Deine Lehre, Frau, und mögen die Perlen Deiner Worte noch, lange fallen in das Ohr dieses Kindes.«

Der alte Krieger warf der Fremden ein Juwel zu, das sie achtlos zur Erde rollen ließ, küßte das Mädchen auf die Stirn und verließ das Gemach.

Kaum war der Vorhang hinter ihm gefallen und sein Schritt verhallt, so riß der Grieche den Schleier vom Haupt und sprang auf die Geliebte zu.

»Laß uns dabei sein, Fatinitza, ich kann hier nicht still verweilen, indeß die Söhne meines Landes geopfert werden.«

»Unmöglich – was kümmern mich die Kinder Deines Landes? – sie sind Christen, Fluch über sie! Du allein sollst leben für Fatinitza.«

»Höre mich, Weib; – unter jenen Kriegern sind meine Blutsverwandten, vielleicht gelingt es uns, sie zu retten und – bei der Göttin der Liebe, der meine Vorfahren Altäre bauten – ich will Dir ewig dafür danken!«

»Die Verwandten Deines Blutes? Betrügt Fatinitza, nicht den eigenen Vater um Deinetwillen? setzt sie sich nicht täglich hundert Male dem Tode aus bei der Entdeckung, daß ein Christ, ein Feind, ihr Haremlik entweiht hat und ihr Lager theilt?«

»Ich weiß es, ich fühle es und dennoch beschwöre ich Dich! Die Ungewißheit würde mich todten, ich verlange Nichts als die Deinen zu begleiten, vielleicht findet sich eine Gelegenheit, wo Deine Hilfe, Deine Fürsprache meinen Freunden nützen kann.«

Die seinem Volke – selbst den edleren Charakteren – eigenthümliche Verstecktheit und Hinterlist ließ ihn fast unbewußt die Worte wägen, – sein Herz sann bereits auf mehr.

Das Türkenmädchen schaute ihn fest und prüfend an.

»Ich will Dein Verlangen erfüllen,« sagte sie endlich, »aber bei der lodernden Gluth, die für Dich durch meine Adern strömt, täusche mich nicht zum zweiten Male, denn Fatinitza's Liebe würde zum blutigen Haß werden. Ich will mit Dir gehen zur Kampfstätte, doch nur unter der Bedingung, daß wir Beide dem Kampfe fern bleiben. Möge die Schlacht walten und ihre Opfer nehmen, Allah entscheide! Fallen die Freunde Deines Blutes lebendig in[34] die Hände der Meinen, wird Fatinitza sie schützen. Ich gehe zu meinem Vater!«

Sie hüllte sich in den leichten Schleier und verließ das Gemach. Kaum hatte sie sich entfernt, so ergriff der Grieche den seinen und sein Haupt darin verbergend, folgte er ihr. Die Angst, die unbestimmte Hoffnung, irgend etwas für die gefährdeten Kämpfer des Kreuzes thun zu können, litt ihn nicht in dem engen Gemach und trieb ihn hinaus auf die Terrasse, von der im Strahl der sinkenden Sonne der Blick über die Stadt und die umliegenden Höhen schweifte.

An der Mauer des mit Blumen geschmückten Vorsprungs lehnte der neue Oglan der Paschatochter, der Knabe, den ihr Hund am Vormittag zu Boden geworfen und der mit diesem jetzt kameradschaftlich spielte. Der Befehl Fatinitza's hatte ihn bereits mit einem neuen Gewande versehen.

Der Grieche trat, ohne darauf zu achten, daß der Knabe ihn aufmerksam betrachtete, hastig zu der Balustrade und schaute hinüber zu den Bergen, auf denen die Schaar seiner Freunde lagerte.

»Möge die Panagia sie retten, ich vermag es nicht!« sagte er unwillkürlich in griechischer Sprache vor sich hin.

Einen Augenblick darauf trafen Laute in derselben Sprache sein Ohr. Es war ein leiser Gesang, den der Knabe ohne jetzt aufzublicken vor sich hin summte, dennoch war jedes Wort verständlich und Grivas hörte mit Staunen seinen eigenen Namen darin. Es war eine wilde Erzählung seines Kampfes in Montenegro, so weit Bogdan sie hatte geben können, in Form einer Piesme.

»Wer bist Du, Knabe,« fragte der junge Mann hastig, »bist Du von griechischen Eltern oder aus den Bergen Czernagora's?«

Der Knabe schaute ihn schlau an.

»Man fragt Keinen, ohne selbst Antwort zu geben, sagt das Sprüchwort. Gefällt Dir mein Lied?«

»Sprich, wer lehrte es Dich?«

»Ich hörte die Erzählung von Bogdan, einem Knaben der Hochlande, der bereits ein Krieger ist. Man nennt Dich die weise Frau, – kannst Du mir bessere Kunde geben von dem Tode dessen, von dem ich sang? ich höre gern Geschichten.«

»Knabe,« sagte hastig und tief bewegt der Grieche, »Du verstellst Dich und bist ein Anderer, als Du scheinen willst. Bei den[35] Gräbern Deiner Väter, bei dem Kreuz, wenn Du ein Christ bist, – rede die Wahrheit. Was suchst Du im Lager der Türken?«

Mauro blickte hastig um sich, – sie waren allein auf der Terrasse.

»Nicolas Grivas, den Bruder des Gregor Caraiskakis und den Neffen des tapfern Generals der Krieger des Kreuzes.«

Die leidenschaftliche Erregung erstickte fast das Wort in der Brust des Griechen.

»Ist mein Bruder Gregor im Lager der Griechen? Knabe, rasch, ich selbst bin Nicolas Grivas!«

»Dann hat meine Ahnung mich nicht getäuscht,« sagte der Bursche, »die die Heiligen mir zugeflüstert bei den seltsamen Erzählungen der Arnauten von der mirditischen Zauberin, die seit der Tödtung ihres Wolfes die unzertrennliche Gefährtin der Herrin von Skadar geworden. Sie meinen, der böse Dämon habe nur seine Gestalt gewechselt.«

»Rasch, rasch, was kümmert mich das Geschwätz der Thoren. Sage mir schnell Deine Botschaft.«

»Bogdan, der Czernagorze, ist gestern in's Lager gekommen und hat von Deinem seltsamen Verschwinden erzählt. Das weckte die Hoffnung Deines Bruders, Herr, daß Du in Skadar gefangen gehalten würdest und ich ward auf Kundschaft ausgesandt.«

»Ist Gregor – dessen Namen Du nanntest – im Lager der Griechen?«

»Mein Herr ist in Varna – ich bin ein smyrniotischer Knabe und als Bote von ihm zu den Hellenen gesandt. Auf jenem Berge dort, in dem Kloster der armen Heiligen, weilt Anastasius Caraiskakis, Dein zweiter Bruder, der mir den Auftrag gab.«

»Ich weiß es; hast Du von meinem Oheim Grivas gehört?«

»Er zog gestern mit wenigen Leuten nach Dervendzista. Dein Bruder begleitete ihn und sollte heute zurückkehren.«

»Allmächtiger Gott, dann ist Grivas, die Hoffnung des Kreuzes der Mann, den der verrätherische Papa in die Hände der Türken liefern will. Wie viel Krieger stehen bei meinem Bruder?«

»Dreihundert. Die Hauptmacht des Generals lagert an der Arta gegen Fuad-Pascha, der mit 9000 Mann in Prevesa steht. General Tzavellas liegt in Suli, aber es ist Feindschaft zwischen ihm und Deinem Oheim!«[36]

»Fluch über diese Uneinigkeit, sie wird Alles verderben. Jetzt begreife ich den Plan der Türken, sie wollen sich zwischen die Abtheilungen drängen und sie einzeln vernichten. Wer befiehlt im Lager an der Arta in Stelle meines Oheims?«

»Der Oberst Stratos.«

»Mein Bruder muß benachrichtigt, Grivas muß gerettet werden. Ein Engel hat mir es eingegeben, auf meiner Theilnahme am Zuge zu bestehen. Knabe, ist es Dir möglich, die Stadt zu verlassen?«

»Ich hoffe es.«

»Es gilt die Rettung Deiner Glaubensbrüder. Suche das Kloster zu erreichen und sage meinem Bruder, im Dunkel der Nacht rücken Abdi-Pascha und der Pascha von Skadar aus, der Erste auf Rapsista zu, der Andere, ihnen den Weg in's Gebirge zu sperren und Grivas zu vernichten, der sich unvorsichtig vorgewagt hat. Wenn es eine Möglichkeit ist, soll er den General retten und Stratos benachrichtigen von der Gefahr. Lebe wohl, Knabe, und die Panagia schütze Dich!«

Er hüllte sich in den Yaschmak und eilte über die Terrasse zurück, auf der Äjischa, die Mohrin, ihn bereits zu suchen, erschien. – –

Die Pascha's warteten das Dunkel ab, um mit ihren Truppen die Festung zu verlassen. Sie bestanden aus 2500 Mann Nizam und Arnauten, 150 arabischen Reitern und 4 Kanonen. Ein Bote war bereits am Nachmittag nach der Küste abgegangen, um Fuad-Effendi von dem beabsichtigten Ausfall in Kenntniß zu setzen und sein Vordringen zwischen die Stellung der beiden griechischen Generale anzurathen. Abdi-Pascha mit dem Nizam und zwei Geschützen wandte sich gegen die Arta und die Stellung des Hauptcorps, Selim-Bey mit den Reitern und zwei Kanonen in das Thal zwischen dem Kloster und dem Fuß des Mitzikeli, so den Posten bei dem erstern zwischen zwei Feuer bringend und den verwegenen Führer der Griechen gänzlich von den Seinen abschneidend.

Dem Unwillen ihres Vaters trotzend und unter dem Vorwand, daß sie sich nicht von ihm trennen wolle, begleitete die Amazone von Skadar den Zug, an ihrer Seite die Verhüllte, vor der die von Aberglauben erfüllten Krieger scheu zur Seite wichen. Der verrätherische Primat machte den Führer und ritt an der Spitze der Abtheilung, von Abdallah, dem arabischen Emir, bewacht.[37] So gelangte der aus etwa 600 Kriegern bestehende Zug im Schatten der Nacht bis auf die Entfernung von etwa 2000 Schritt in die Nähe seines Ziels und machte hier, von einer Schlucht gedeckt, Halt. Nach dem Rath des Verräthers sollte der Überfall in der Morgendämmerung erfolgen.


Wo die Quellen der Arta zwischen dem Tzumeria-Gebirge, dem Mitzikeli und den Höhen des Pindus entspringen, in einer der an Romantik und Lieblichkeit reichsten Gegenden der Welt, erhebt sich auf einem kühn vorspringenden, von drei Seiten fast unzugänglichen Felsen die Palanka oder die Kula von Protopapas. Auch der Abhang der vierten Seite ist durch Erdspalten zerklüftet, so daß nur ein schmaler Weg für Fußgänger und Reiter offen bleibt, an dessen Seite jäh der Felsenabhang hinabfällt. Citronenbäume und der hohe Oleander zieren die Höhen, wilder Wein rankt an den Stämmen empor und Büsche von Rosen, von denen das unsern gelegene Rhodostopos seinen Namen hat, füllen die Lüfte schon im Frühling mit Wohlgeruch, während die Hänge und Gründe vom dunklen Grün der Olive gefüllt sind.

Dies war die Stelle, wo Grivas mit seinen sieben Mainoten den russischen Agenten von Metzowo erwartete.

Der Ort war noch unter Ali-Pascha eine kleine Feste mit geringer Besatzung, seitdem aber gänzlich verlassen und nur von den Kolbaus, den Hirten des Gebirges, benutzt. Ein eingesunkener Wall umgab im engen Kreis einen viereckigen starken Thurm, von massiven Quadern zwei Stockwerke hoch aufgeführt, dessen Mauern und Zinnen Zeit und Verödung nur wenig zu schaden vermocht hatten. Durch ganz Epirus und an der Küste entlang, selbst in den acroceraunischen Gebirgen finden sich noch, zum Theil öd und verlassen, zum Theil als abgeschlossene Posten der Khawassen dienend, viele solche feste Thürme, gleich den Trümmern, der alten Feudalburgen in Mitteleuropa. –

Die türkenfreundliche Presse hat Zeter und Wehe geschrieen über die Plünderung, die der Führer der aufgestandenen Epiroten an dem Hause des Primaten von Dervendzista begangen, nachdem er die Nacht dort zugebracht und sich alle Mühe gegeben, die gleich darauf folgende an Thermopilä und die heldenmüthigsten Thaten[38] des Alterthums erinnernde Vertheidigung der Kula zu verdächtigen und in den Staub zu ziehen. Der Schriftsteller jedoch, der die Geschichte jener Tage in den bunten Kaleidoscopen des Romans schildert, kümmert sich nicht um den Streit und Neid der Parteiungen, sondern malt mit kühner Feder die Thaten und Menschen, wie sie sind.

Die Namen der sieben Gefährten des General Grivas im Thurm von Protopapas sind dem Andenken erhalten: Hassan Stavro, Demetrios, Andunah Vati, Constantin Comodouro, Panayotti Zanetacchi, Andreas Zanet und Georg Mauromichalis, der Namensvetter und Neffe des Klephten, der 1831 den Präsidenten Capodistrias erschoß, – alle Sieben Söhne der Maina – Wölfe des Taygetos.

Nicht mit Unrecht führen die Bewohner von Bassa-Maina, des alten Gebiets von Sparta, den letztern Namen. Rauh und hart wie das Felsgestein des Taygetos, scheint ihr Sinn allen milderen Freuden des Lebens unzugänglich. Das Land, dessen Schoos keine Quelle entrinnt, zeugt Kinder, die an Wildheit, aber auch an Kühnheit und Tapferkeit alle Stämme der Erde übertreffen. Raub und Mord ist ihr Gewerbe, der Haß und die Blutrache erben unter den Geschlechtern grimmiger, unversöhnlicher, als selbst auf den schwarzen Felsen Czernagora's und den Bergen Corsika's, und wenn ein Mann eines natürlichen Todes stirbt, so beklagen sie ihn, weil er nicht erschlagen wurde und daher keiner Rache bedarf.

Räuber zur See und zu Land, unbezwungen und ungebändigt, im wilden Kampf unter einander, seit sie nicht täglich mehr mit ihren Feinden, den Türken, kämpfen können, war noch in den vierziger Jahren, und ist es zum Theil noch, jedes Haus der Maina eine Feste und jeder Zugang durch eine Schießscharte beherrscht, die man so genau bewacht, daß Nachts nicht einmal Licht gebrannt wird, um dem Feinde nicht die an den Öffnungen vorbeigehenden Gestalten als Ziel zu verrathen. Das ganze Gebiet ist ein Land von Thürmen; die meist auf felsigen Anhöhen stehen, so daß sie den benachbarten District überblicken können. Die unteren Stockwerke werden als Ställe benutzt, während nach den oberen Gemächern eine so niedrige Thür führt, daß man nur gebückt eintreten kann.

Nur die Weiber gehen zum Arbeiten aus, die Greise und[39] Knaben bleiben zu Hause auf der Wache und es giebt Fälle, daß Männer in zwanzig Jahren nicht die Schwelle ihres Thurmes überschritten haben, um nicht der Blutrache zu verfallen. Die baierschen Truppen, welche im Jahre 1834 auf Befehl der Regierung in Athen diese Festen zerstören sollten, wurden von den Mainoten zurückgeschlagen und alle Anstrengungen der Regierung scheiterten an dem Trotz der wilden Klephten, – ihre Thürme blieben unzerstört.

Erst in der letztern Hälfte der vierziger Jahre hat die Civilisation einigermaßen Wurzel in dem wilden Lande geschlagen. Viele unserer Leser werden uns bei dieser Schilderung der Übertreibung beschuldigen, aber wir können nicht oft genug wiederholen – wir geben Thatsachen im Gewand des Romans. Noch im Juni 1843 schreibt ein griechischer Correspondent der Augsburger Allgemeinen Zeitung: »Die Blutrache wird so weit ausgedehnt, daß sie von einem sterbenden Vater testamentarisch den Kindern vermacht wird. Die Erben überblicken mit eben solcher Begier die Anzahl der aufgezählten Morde, welche zu rächen sind, wie das übrige Eigenthum, und haben sie durch Blutvergießen die Anweisungen des Testaments vollkommen erfüllt, so begießen sie das Grab des Vaters mit Wasser, zum Zeichen, daß jetzt seine Leidenschaft abgekühlt sein könne.«

Die wilden Söhne des Taygetos gehorchten dem Sohne des Pindus. Grivas, der mit den Mainoten 1827 die Akropolis von Corinth erstürmt, konnte sicher bauen auf die Treue und den Muth dieser Krieger.

In ihre Aba's gehüllt, lagen die Tapfern um das verglimmende Feuer im Innern der Kula; denn die Nächte des Orients sind oft kalt und schneidend, während am Mittag heiß der Sonnenstrahl brennt.

Comodouro und Demetrios hatten die Wache auf dem Thurm und dem Wall, bis die Sonne sich erhoben über die schneeigen Gipfel des Pindus und Dodona's heilige Eichenhaine.

Aus den Schluchten und Thälern ballten in formlosen Massen die Morgennebel empor, gleich als ahnten und fürchteten sie den nahenden Strahl der Sonne. Auf den Wolken über dem See von Janina malten sich die purpurnen und violetten Strahlen des noch hinter den Bergen verborgenen Tagesgestirns.

Da dröhnte es von Westen her in langsam auf einander folgenden Schlägen – ferne Kanonenschüsse.[40]

Die Hand der Wache legte sich auf die Schulter des Führers – im Augenblick war der General empor und gleich darauf auf der Plattform des Thurmes, um ihn sammelten sich die Mainoten. – Es war die höchste Zeit – ein seltsames abenteuerliches Schauspiel entwickelte sich phantastisch aus den ballenden Nebeln am Fuße der Höhe, auf welcher der Thurm steht: – gleich Gespenstern, die der Hahnenruf des Morgens von ihren nächtlichen Wegen auf und davon jagt, stürmten durch die Schatten des Thales drei Reiter – voran auf windschnellem arabischen Roß eine Frauengestalt in fliegenden grünen Gewändern – hinter ihr d'rein ein alter Moslem, den Säbel in der Faust, offenbar bemüht, der Fliehenden den Weg abzugewinnen und zuerst am Eingang des schmalen Felsensteiges anzukommen, der den Weg zum Plateau der Palanka bildete; – den Beiden in der Entfernung von 60 bis 100 Schritt folgend, eine zweite türkische Frau in prächtigen Gewändern, den goldglänzenden Panzer des Tosken um Brust und Schultern, den hohen Reiherbusch über dem Turban. Und hinter ihnen d'rein in der Ferne, aus dem Nebel und Dunkel, hoben sich im Morgengrauen Lanzenspitzen, blitzten Bajonnette und wogte es heran in dunklen Massen.

»Zu den Waffen, Kameraden, die Moslems sind vor der Palanka!« und zu dem Eingang des Walls stürzten Grivas und seine Maini's.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Der Halt, den die Türken gemacht, war, wie gesagt, kaum eine Viertelstunde Weges von der kleinen Feste entfernt, und der Bey sandte von hier aus seine Späher, die bald mit der Nachricht zurückkehrten, daß die Griechen zwar Wachen ausgestellt hätten, sonst aber keine Ahnung von der Gefahr und der Nähe des Feindes zu haben schienen.

Es wurde nun beschlossen, daß die Kula durch Tirailleurs überrascht werden sollte, die sich im Schatten der Klüftungen auf das Plateau schleichen und plötzlich auf das Zeichen eines Schusses eindringen sollten, während die Hauptmacht ihnen langsam folgte. Der Emir Abdallah mit seinen Arabern erbot sich, den Versuch zu wachen. Er stieg von seiner Stute, deren Zügel er um den Schaft seiner in den Boden geschlungenen Lanze schlang, und seinem Beispiel folgten sofort alle seine Leute. Dann untersuchte der Emir sein langes Luntengewehr, ertheilte den Arabern einige Befehle und[41] verschwand mit ihnen nach verschiedenen Seiten in den Nebeln, in denen ihre weißen und grauen Gewänder verschwammen.

Der Bey mit Fatinitza und dem verkleideten Griechen waren jetzt die einzigen Reiter, die in der Nähe hielten, und er hieß sie ihnen folgen, um von einem näher liegenden Hügel den Erfolg des Überfalls zu beobachten und dort während des Gefechts, außerhalb jeder Gefahr, zu verweilen. Im Gespräch mit ihrem Vater bemerkte das Türkenmädchen Anfangs nicht, daß ihre Begleiterin zögerte, zu folgen, und einige Augenblicke zurückblieb, bis der Vorsprung des Felshügels sie verdeckte.

Plötzlich verkündete ein Schrei der Überraschung ein ungewöhnliches Ereigniß. – –

In der Brust des jungen Griechen hatte ein wilder Sturm getobt – Qual und Angst um die Blutfreunde, und Liebe und Dankbarkeit zu dem wilden Türkenmädchen. Dennoch war er von Anfang an entschlossen gewesen, jede sich bietende günstige Gelegenheit zu ergreifen, um seinen Oheim und dessen Gefährten zu retten. Der drängende Augenblick war jetzt gekommen, denn er fühlte, daß, wenn die ahnungslosen Griechen nicht gewarnt würden, der Überfall der Araber gelingen müsse.

Er wußte aus den Erzählungen des Emirs an Fatinitza, daß das Roß desselben eine Stute aus jenem berühmten Geschlecht der Nedjhi war, einer durch ganz Arabien wegen seiner Schnelligkeit und Muskelkraft berühmten Race, und als daher der Emir den Sattel verlassen und die Pferde fast unbewacht zurückgelassen wurden, war sein Entschluß rasch gefaßt. Er drängte, zurückbleibend, sein Maulthier an die Seite der Stute und den Augenblick entschlossen ergreifend, wechselte er den Steigbügel und sprang in den Sattel des arabischen Pferdes, zugleich die Lanze aus dem Boden reißend und die scharfen, statt der Sporen dienenden Spitzen der Bügel in seine Flanken pressend.

Wie ein Pfeil schoß die Stute vorwärts, und im nächsten Augenblick an Fatinitza, dem Pascha und den ihnen zum Hügel gefolgten Kriegern vorüber.

Im ersten Moment fesselte Überraschung und Verwirrung jede Lippe, da außer Fatinitza Keiner die Bedeutung der seltsamen Handlung sich zu enträthseln vermochte, bis der Ruf derselben: »Verrätherischer Christ! Allah verderbe Dich!« und ihr wüthendes Anspornen des Rosses hinter dem Fliehenden d'rein plötzlich[42] das Staunen mit einem anderen löste. Ein unterdrückter Wuthschrei brach von den Lippen Aller und dann folgte der ganze Haufe der wilden Jagd.

Diese ging mit Windesschnelle durch den Thalgrund, auf dessen anderer Seite das Felsenplateau der Palanka sich erhob. Da der Pascha und seine Tochter die einzigen Berittenen in der Gruppe gewesen, unternahmen diese auch allein mit einiger Aussicht die verzweifelte Verfolgung. Das Pferd des Pascha's war ein Thier von edlem Berber Blut, das nur wenig dem schnellen Roß des Flüchtlings nachstand, und der greise Moslem, sobald er sein erstes Erstaunen überwunden, sprengte wüthend hinter dem Griechen d'rein, denn der Ruf seines einzigen Kindes hatte ihm im Augenblick gezeigt, wie grausam er betrogen worden.

Die ganze Hoffnung des jungen Mannes lag darin, daß er zuerst den Felskamm erreichte, welcher den einzigen Weg zum Plateau der Palanka bildete, und die Augen auf die Feste geheftet, jagte er durch das Thal. Doch hatte er, um der Gruppe am Hügel zu entgehen, schon beim Fortstürmen die gerade Richtung verlassen müssen, und wurde auch auf dem weiten Ritt wenn auch nur Augenblicke lang aufgehalten. Zwei Mal trat ihm aus dem Nebel die weiße Gestalt eines arabischen Kriegers entgegen und versuchte, sich ihm in den Weg zu werfen. Aber die Lanze des Emirs warf den Einen, der Sprung des Pferdes den Andern zu Boden, und Keiner wagte es, auf das wohlbekaunte Roß seines Häuptlings zu feuern.

So gelang es dem Griechen, fast gleichzeitig mit dem Bey, den Aufgang des Felsenkammes zu erreichen, und ein Sprung des prächtigen Pferdes brachte ihn voran auf denselben. Er hatte den Schleier von seinem Haupte gerissen und schwang ihn durch die Luft. –

»Zum Kampf, Oheim Grivas, zum Kampf! die Moslems sind Euch nahe!«

»Verfluchter Christ! Schänder meines Harems! stirb!«

Eine rasende Anstrengung seines Pferdes hatte auf einer breitern Stelle den greifen Bey an die Seite des Griechen gebracht, und er lehnte sich zurück auf den Sattel, den Hieb von hinten zu führen, denn er befand sich zu seinem Unglück auf der rechten Seite des Flüchtlings. Ein Blick zeigte diesem die Gefahr und daß nur das Verderben des Einen den Andern zu retten vermöge. Der[43] Trieb der Selbsterhaltung war rascher als alle Überlegung, und mit aller Kraft seiner Hand und seiner Schenkel sein Pferd parirend, drängte er es nach dem Gegner, indem er den rechten Arm nach ihm ausstreckte, den Hieb aufzufangen.

Ein wilder Schrei klang an seine Ohren – die Stimme der Geliebten: »Schone meinen Vater!« – aber im selben Augenblicke schon stieß sein Knie an den hohen Sattel des Gegners, seine Hand faßte den erhobenen Arm – ein Stoß – und über die Seite der Felsenkante stürzten Roß und Reiter!

Im nächsten Moment flog das Araberpferd weiter und dem offenen Eingang des Walles zu, auf dem jetzt, die Flinten schußgerecht in der Hand, die sieben Mainoten lagen. Hinter ihm d'rein gellte in seine Ohren der schneidende Zeterruf des Türkenmädchens, das Klagegeschrei der herbeieilenden Arnauten, und vor ihm am Eingang des Walles lag eine breite Kluft, über die eine einzige Bohle führte, welche die Mainoten liegen gelassen und in der unerwartet andrängenden Gefahr noch keine Zeit gehabt, hinwegzuräumen. Aber sie war zu schmal, selbst im Schritt ein Pferd zu tragen; noch ein Mal preßte er die spitzen Bügel dem seinen in die Flanken, und mit langem Sprunge gewann es den jenseitigen Rand und stand zitternd und schaumbedeckt zwischen den wilden Gestalten der Griechen.

Nicolas Grivas sprang herab, sprachlos – Entsetzen auf dem bleichen Antlitz – deutete er hin nach dem gefährlichen Wege, den er so eben zurückgelegt hatte. – –

Dort jagte die Wölfin von Skadar heran, – der Schleier fliegend im Zug der Luft, gluthroth das Antlitz, rachesprühend das dunkle Auge – in der erhobenen Hand die Pistole. –

Kaum sah sie den Abhang, der sie von dem Verräther trennte, noch weniger ihn achtend in der wilden Leidenschaft, die jede ihrer Fibern spannte, – der Schuß knallte, indem das Pferd sich zum Sprunge erhob, aber seine Kraft war diesem nicht gewachsen und die Hand der Reiterin hatte es nicht unterstützt, es erreichte kaum den jenseitigen Rand und brach zusammen über der Planke, welche über die wenn auch nicht tiefe doch gefährliche Felsspalte führte. Einen Augenblick hingen Pferd und Reiterin über dem Abgrund und dieser Augenblick genügte dem ältern Grivas, um vorzuspringen. Seine kräftige Faust erfaßte das Türkenmädchen und riß es[44] empor, und ein Fußtritt schleuderte die schwankende Brücke und das Roß auf ihr in die Tiefe.

Die Flinten der Mainoten krachten zu beiden Seiten und das »Allah Akhbar21!« der Araber erschütterte die Luft. Abdallah an der Spitze, versuchten die wilden Asiaten, das Plateau, an den Felsen und Steinen emporkletternd, zu erstürmen, – aber die Kugeln der sechs wachsamen Spartaner warfen die kleine Zahl, die emporzuklimmen vermochte, todt oder verwundet von dem Felsrand zurück – kein Schuß fehlte bei dem leichten Ziel, und der Ruf des kühnen griechischen Führers belebte den Widerstand. Seine weitreichende Büchse schlug zugleich auf dem Felskamm in die Schaar der dort Anstürmenden und trieb sie zurück.

Die Sonnenstrahlen brachen glänzend über die Berge, und die Palanka vergoldend, zeigten sie sicher den Schützen ihr Ziel.

Nach ihrer gewöhnlichen Kampfweise, ähnlich der der nordamerikanischen Wilden, ließen die Asiaten nach dem ersten Sturm vom Angriff ab, sobald sie sich überzeugt, daß die Überraschung mißlungen und der Gegner zum Empfange bereit war.

Die Araber und die unterdeß herbeigekommenen Arnauten zogen sich unter wildem Geschrei aus der Schußweite der Kugeln zurück. Von der Höhe des Walls sah der General noch, wie sie den Körper ihres greifen Führers aus der Schlucht, wo hinein ihn und das Roß der Arm seines Neffen gestürzt, davon trugen, doch vermochte sein Falkenblick nicht zu erkennen, ob der Verunglückte noch am Leben.

Der General wußte, daß er vorerst Ruhe und Zeit haben werde, die Anstalten zur weiteren Vertheidigung zu treffen, und jetzt erst wandte sein Blick sich wieder auf seinen Neffen und seine schöne Gefangene.

Wir haben gesagt, daß sechs Flinten der Mainoten dem Angriffsgeschrei der Araber geantwortet hatten; – Andunah Vati, der Siebente, lag, die Hand auf die rechte Seite gepreßt, an der Mauer der Kula und durch seine Finger quoll in dicken Tropfen das rothe Blut, während sein Auge finster und drohend auf das Türkenmädchen geheftet blieb. Die Kugel ihrer Pistole hatte bei dem Sprunge das Ziel ihrer Rache, den meineidigen Geliebten, gefehlt und den Mainoten niedergeworfen. Der schreckliche Vorgang[45] und der Angriff der Araber waren aber so rasch auf einander gefolgt, daß keiner der Vertheidiger Zeit gehabt, auf den Verwundeten zu merken oder sich um ihn zu kümmern.

In einiger Entfernung von ihm, auf einer der Quadern, saß Fatinitza; der Turban war ihr vom Haupte gefallen und das dunkle glühende Auge starrte finster und gleichgültig durch die Öffnung des Walles auf die ferne Schaar der Ihren. Sie schien den treulosen Freund nicht zu bemerken, der, nur wenige Schritte von ihr entfernt, an dem Roß des Arabers lehnte. Ein einziges Mal während des kurzen Kampfes hatte er gewagt, ihr näher zu treten, aber ein wilder stolzer Blick des Mädchens scheuchte ihn zurück, und stumm, mit niedergeschlagenen Augen blieb er in seiner Stellung. So traf die stumme lautlose Gruppe der General, der mit mehreren seiner Gefährten jetzt in das Innere der Umwallung sprang, während andere derselben die Wache auf dem Wall behielten.

»Andunah ist verwundet, seht nach ihm,« befahl der Führer, »und jetzt, Neffe, nachdem die erste Blutarbeit gethan, sei willkommen trotz Deines seltsamen Aufzugs. Wer ist dies Weib?«

»Fatinitza, die Tochter des Pascha's von Skadar, meine Lebensretterin. Laßt sie zum Dank dafür, daß es mir gelang, Euch noch im letzten Augenblick zu retten und auf die Nähe der Feinde aufmerksam zu machen, unbeleidigt zu den Ihren zurückkehren.«

»Sie ist die Mörderin meines Vetters Andunah,« sagte bei der Bitte wild der Mani Comodouro. »Ihre Kugel traf, ihn – sie muß sterben!« Er hob die Pistole gegen die Unglückliche.

Der General jedoch stellte sich vor sie. – »Zurück, Mann! Andunah Vari wurde im ehrlichen Kampf erschossen und die Türkin ist meine Gefangene. Wer es wagt, die Waffe gegen sie zu erheben, hat es mit mir zu thun. Du aber, Neffe, irrst, wenn Du glaubst, ihre Freiheit dafür in Anspruch nehmen zu können, daß Dein Ruf uns gerettet. Der Donner jener Kanonen über das Gebirge her, den Du hörst und der uns die Schlacht unserer Brüder verkündet, hatte uns bereits in die Waffen, gerufen. Dieses Mädchen, deren Namen und blutigen Ruf wir Alle kennen, hat die Jungfrau vielleicht zu unserer Rettung in unsere Hand gegeben. Bindet ihre Hände und nehmt ihr ab, was sie an Waffen noch bei sich trägt.«

»Oheim!« flehte der junge Grieche.[46]

Der General schüttelte finster das Haupt. – »Sie ist die Gefangene meiner Hand und es muß sein! Deine Rettung ist vergolten durch die ihre von jenem Sturz.«

Zwei der Mainoten fesselten mit einem Riemen die Arme der Türkin und nahmen ihr den Dolch, der in ihrem Gürtel steckte. Ohne Widerstand ließ es das Mädchen geschehen, nur ein stolzer verächtlicher Blick fiel auf den jungen Grivas, der sein Gesicht in die Hände verbarg.

»Bringt sie in den hintern Raum der Kula und fesselt ihr dort noch die Füße, damit sie keinen Versuch der Flucht machen kann,« befahl der Führer. »Euer Leben bürgt mir für das ihre. Legt Andunah gleichfalls dahin und leistet ihm Hilfe, so gut es sich thun läßt. – Wie hoch schätzest Du die Zahl unserer Feinde, Neffe?« wandte er sich an diesen, während die Maini's22 seinem Befehl Folge leisteten.

Nicolas gab die Auskunft, so weit er vermochte.

»Du magst die Stelle Andunah's einnehmen,« sagte der General, »und Dich mit seinen Waffen versehen; der Kampf, den wir zu bestehen haben werden, wird ein harter sein. Und jetzt laßt uns vor Allem daran gehen, den Zugang zu sperren, so gut es uns möglich ist, denn, verlaßt Euch darauf, wir werden bald von ihnen hören.«

Sie begannen alsbald Steine und Trümmer vor dem Zugang des Walles aufzuhäufen. Zwei der Mainoten bestiegen auf des Generals Geheiß das flache Dach der Kula und lagen an den Schießscharten. Die andern vier mit dem General und dem Flüchtling, der sich der Frauengewänder, so weit es thunlich, entledigt hatte, behaupteten den Wall, häuften Steine und Holzwerk im Innern der Kula zusammen zur Verpallisadirung des offenen schmalen Zugangs und durchspäheten die Umgegend.

Das Erdgeschoß des Thurmes war in zwei Theile geschieden. Im zweiten nach dem schroffen Felsenabhang zu lagen auf Lagern von Zweigen und Blättern, wie sich die Hirten des Gebirges sie bereitet hatten, einander gegenüber Fatinitza und der verwundete Krieger, dessen Waffen und Munition der junge Grivas an sich genommen.

Der Letztere hatte noch einen Versuch gemacht, sich der verrathenen[47] Geliebten zu nahen, um ihre Lage möglichst zu erleichtern und sein Thun zu rechtfertigen, die Türkin jedoch ihm verächtlich und ungeduldig den Rücken gewandt und kein Wort war ihren Lippen zu entlocken. Mit von widerstreitenden Gefühlen zerrissenem Herzen verließ er sie endlich.

Dir Sonne war nunmehr über den Gipfeln des Pindus und ihre Strahlen hatten die Nebel vertrieben und zeigten den Bedrängten klar und deutlich die Gefahr, von der sie umgeben waren. Am Eingang des Felsengrates außer Flintenschußweite lagerte die Hauptschaar der Türken, und eine Gruppe von Feigenbäumen schien ihren Mittelpunkt und das Lager ihres todten oder verwundeten Führers zu bilden, denn man konnte vom Thurme aus bemerken, daß Shawls und Decken dort ausgebreitet waren. Kleine Abtheilungen schlossen bereits im Grunde das Plateau auf allen Selten ein und die Mannschaft der beiden Feldgeschütze bemühte sich eben, dieselben am Zugang des Felsendammes zum Wall, in der Entfernung von sieben- bis achthundert, Schritt von diesem, aufzustellen, da es zum Glück für die Griechen nicht möglich befunden worden, sie auf dem Felsdamm selbst durch die Bespannung weiter vorwärts zu bringen.

Zu ihrem Staunen sahen die Mainoten jedoch statt des Beginns des Sturmes einen einzelnen Reiter, den Zweig eines Olivenbaumes in der Rechten – das Zeichen des Friedens oder Waffenstillstandes – heran nahen. Es war der Emir, der kühn und unbesorgt bis zur Felsspalte vorritt, welche den schmalen Weg vom Felsplateau der Palanka trennte, und dort den Zweig als Zeichen über dem Kopfe schwang, daß er eine friedliche Unterredung wünsche.

Der General mit Nicolas, indem er den Übrigen gebot, im Anschlag zu bleiben, erschien sofort auf dem Wall.

»Hunde und Söhne von Hunden,« begann der Emir die friedliche Anrede, »Ihr seht, daß Allah Euch in die Hand der Gläubigen gegeben hat, die zahlreich sind, wie der Sand am Meere, und daß kein Entrinnen für Euch ist. Bist Du Grivas, der Anführer der aufständischen Griechen?«

»Nimm Dich in Acht, Freund Araber, mit Deinen Worten,« entgegnete der General in türkischer Sprache. »Meine Mainoten und ich selbst sind nicht gewillt, geduldig die Schmähungen eines Götzendieners zu ertragen. Wer bist Du und was willst Du?«[48]

»Ich bin Abdallah ben Zarugah, das Haupt meines Stammes und der Freund des Pascha's von Skadar, Selim Beh's, eines Tapfern, dem die Hand eines Verräthers Unglück gebracht hat. Ich rede in seinem Namen und führe seine Krieger gegen Euch zum Kampf.«

»Sage mir, Emir Abdallah, bei Deinem Haupte beschwöre ich Dich,« unterbrach Nicolas Grivas das Gespräch, »ist der Pascha bei dem Sturz umgekommen, oder glücklich der Gefahr entgangen?«

»Ich erkenne Dich an Deiner Stimme, Pferdedieb,« entgegnete der Araber, »und Fluch über Dich, denn Du hast Verrath geübt an dem, dessen Brot Du gegessen. Allah hat seine Hand über dem Pascha gehalten, er ist schwer verwundet und sein Schenkel gebrochen aber er lebt Euch zum Verderben.«

Ein unwillkürliches »Den Heiligen sei Dank!« entfloh den Lippen des jungen Mannes. Dann verließ er hastig den Wall und eilte in das Gefängniß Fatinitza's, um ihr die Nachricht zu verkünden.

Sie nahm sie schweigend auf, kein Laut, kein Blick des Auges verkündete ihre Gefühle.

Unterdeß nahm die Unterhandlung draußen ihren Fortgang.

»Weshalb kommst Du, Emir? – Ich bin Grivas, der General der freien Griechen.«

»Deine Krieger,« sagte der Araber, »werden in diesem Augenblick von dem Pascha von Janina vernichtet, Du hörst den Donner der großen Büchsen. Schaue auf die Zahl meiner Tapfern und Du siehst, daß ein Entrinnen unmöglich ist. Es ist keine Schmach für den Kühnen, der Macht zu weichen. Gieb Dich gefangen mit Deinen Lecken, und das Urtheil des Pascha's wird milde sein.«

»Bin ich ein Kind oder ein Weib, daß Du so mit mir redest? Mir haben Kugeln in unsern Flinten und Blut in unsern Adern.«

»Du bist ein Tapferer, ich weiß es, und Abdallah, der mit den Rothjacken vor Aden gefochten, ehrt die Tapfern, auch wenn sie seine Feinde sind. Gieb mir mein Pferd Eidunih und Fatinitza, die Tochter des Pascha's, nebst dem Verräther heraus, der sie beide entführt hat, und liefert Eure Waffen ab, so will der Pascha Dir und den Deinen den Abzug erlauben, wenn Ihr bei dem Koran der Christen schwören wollt, nie wieder gegen das Licht der Welt zu kriegen.«

»Der Mann, den Du einen Dieb nennst,« sagte der General, »ist mein Neffe und ein Krieger des Kreuzes, dessen Blut nicht[49] für die türkischen Henker bestimmt ist. Das Weib und das Pferd kannst Du erhalten, aber nicht unsere Waffen, die wir brauchen wollen, so lange ein Moslem auf griechischer Erde steht. Überdies, was bürgt uns für die Erfüllung des freien Abzugs? wir kennen die Treue der Türken.«

»Mein Wort,« entgegnete der junge Araber stolz, »der Eid Abdallah's ben Zarugah, und die Sterne würden eher in ihrem Lauf zurückgehen, als daß ein Hauch des Eides bei seinem Bart nicht gehalten würde.«

Der griechische General lachte verächtlich.

»Du magst redlich genug sein für einen Araber, aber die Türken, Deine Brüder, sind Pesevenks, Schurken. Wir verlassen uns auf die Jungfrau und unsere Flinten, wenn Du keine bessern Bedingungen giebst. Zieht Euch zurück nach Janina, laßt die Berge frei, und ich will Dir Pferd und Weib unbeschädigt zurückgeben. Willst Du nicht, so mache, daß Du fortkommst.«

»Hund! Sohn eines Juden und einer Hündin, willst Du Abdallah in den Bart lachen?« rief der Emir wild, indem er sein Roß wandte und den schützenden Zweig hinwegwarf. »Dein Blut komme über Dich! Allah Akhbar – zum Kampf!«

Eine Kugel pfiff dicht an seinem Haupt vorbei, aber die Bewegung des Pferdes rettete ihn und er jagte unverletzt davon, – die Griechen sparten ihr Blei für den Kampf auf Tod und Leben, der, wie sie wußten, jetzt folgen mußte.

Kaum war der Emir zu der Gruppe unter den Feigenbäumen zurückgekehrt, so wurde auch das Zeichen zum Beginn des Kampfes gegeben, und die beiden leichten Feldgeschütze eröffneten ihr Feuer gegen die Palanka.

Die Geschütze waren jedoch zu schwach, um auf diese Entfernung hin von energischer Wirkung zu sein, und sie beunruhigten und gefährdeten kaum die Personen der Vertheidiger. Die Kugeln übten gleichfalls nur geringe Zerstörung an den dicken Marmorquadern des Thutmes und wühlten den ohnehin halb zerstörten Wall auf, – die Einnahme der Palanka konnte allein von dem Sturm mit gewaffneter Hand erwartet werden.

Dieser ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Die Maini's sahen den jungen kühnen Führer gleich einem Pfeil von einem der Posten zum andern jagen, welche das etwa 50 bis 60 Fuß über das Thal emporragende Plateau umgaben, und ihnen seine Befehle[50] ertheilen. Sie bestanden größtentheils aus seinen berittenen Arabern, und diese rückten jetzt bis auf Schußweite ihrer langen Luntenflinten heran und begannen ein scharfes Feuer auf alle Öffnungen des Thurmes und auf den drei ihnen zugekehrten Seiten des Walles, während eine Abtheilung des Nizam an den Seiten des Felsendammes und auf diesem selbst vorrückte.

Sobald sie auf etwa 200 Schritt heran gekommen, gab der General das Zeichen zur Eröffnung des Feuers, und Schuß auf Schuß aus den sichern Flinten der Mainoten schlug in die Reihe der Stürmenden, und zwölf Todte oder schwer Verwundete deckten den Weg, ehe sie bis an die Spalte herankamen, welcher jetzt die verbindende Brücke fehlte. Die Untenstehenden versuchten zugleich, an der hier etwa vierfache Manneshöhe haltenden Felswand heraufzuklimmen, während ihre Gefährten vom Damm aus ein heftiges Feuer auf die kleine Schaar der Vertheidiger unterhielten; aber Grivas hatte drei seiner besten Schützen eilig nach dem zweiten Stockwerk der Kula gesandt und ihre Kugeln schlugen Tod bringend in das Gedränge der Türken auf dem Wege oder warfen Mann um Mann zerschmettert von der mit Mühe erklommenen Felswand zurück in die Tiefe, während die beiden auf dem Dach des Thurmes postirten Krieger unter gleichem Erfolg mit den herandrängenden Trupps der Araber im Thale Kugeln wechselten.

Die Offiziere der Türken sahen ein, daß sie ohne andere Vorbereitungen nutzlos ihre Leute dem tödtlichen Feuer der Griechen aussetzten und befahlen den Rückzug.

Über zwanzig Todte lagen bereits auf dem Kampfplatz, zahlreiche Verwundete schleppten sich zurück aus dem Gefecht.

Man sah die Offiziere des abgeschlagenen Nizam und die Buluk-Baschi's der Arnauten Selim's um das Lager des verwundeten Pascha's sich versammeln und Kriegsrath halten. Inmitten der Phistans, der bunten Kleidung der Albanesen und der dunkelblauen Röcke der Offiziere, wehte der weiße Burnus des Arabers, und seine heftigen Gestikulationen zeigten, mit welchem Feuer er sprach.

Sein Rath schien Beachtung gefunden zu haben und ein Beschluß gefaßt zu sein, denn während seine Boten den größten Theil der Reiter um ihn versammelten, wurden die Artilleristen und eine Anzahl Nizams an die Kanonen kommandirt, und man versuchte eine derselben durch Menschenhände auf dem Felsendamm vorwärts[51] und näher dem Eingange der Palanka zu bringen. Mit vieler Mühe und nach langer Arbeit gelang es, eine Kanone bis auf 300 Schritt heran zu bringen. Noch in dieser Entfernung trafen die Kugeln der Griechen und namentlich aus der Büchse des Generals oft ihr Ziel, und die Türken hielten es daher für räthlich, hier ihren Halt zu machen.

Unterdeß hatten die um den Emir Abdallah versammelten Araber sich auf die erhaltenen Befehle nach allen Seiten hin zerstreut. Der Führer der Mainoten hatte alle diese Anstalten der Feinde eifrig und nicht ohne Besorgniß beobachtet. Der entfernte, fortdauernd von Zeit zu Zeit rollende Donner des Geschützes benachrichtigte ihn, daß in der Ferne gleichfalls ein harter Kampf geschlagen wurde gegen seine Truppen, die des Führers durch seine eigene Unvorsichtigkeit beraubt waren.

Mit einem kleinen Fernrohr, das er bei sich hatte, verfolgte er die Araber, die sich in die Berge zwischen die Bäume und Büsche verloren – er konnte sehen, wie sie mit ihren Yatagans leichte Zweige und Äste abhieben und zu starken Bündeln zusammen banden.

Im Augenblicke stand die Absicht der Gegner vor seinen Augen – sie machten Faschinen, um die Schlucht, die sie vom Plateau trennte, zu füllen.

Seine Augen flogen umher, um ein Gegenmittel zu suchen und fanden es. Zwischen dem Wall und dem Thurme lag ein ziemlich großer Vorrath von trockenen Reisern, Röhricht und Binsen aus den Sümpfen, den die Hirten hier zu ihrem Gebrauch aufgehäuft.

Dasselbe Mittel, das ihr Verderben bereitete, sollte die Gegner schlagen.

Während zwei der Mainoten fortwährend auf dem Thurme Wache hielten, traf der kühne Palikarenführer seine Vorbereitungen.

Stunden waren mit dem ersten Angriff und mit diesen beiderseitigen Vorkehrungen seither vergangen – der Mittag nahte und die Zeit, da die Kranken und Verwundeten in die Hand des schwarzen Engels gegeben sind.

Eine furchtbare – entsetzliche Scene hatte im Thurm der Palanka, im Kerker des Türkenmädchens, begonnen, den weder Grivas noch sein Neffe wieder betreten.

Die Feder weigert den Dienst, jene Thaten niederzuschreiben, mit der die Krieger des Kreuzes die heldenmüthige Vertheidigung[52] der Palanka von Protopapas entweihten; doch der Schriftsteller hat die Pflicht der Gerechtigkeit, und mit Grauen über die Bestialität in der menschlichen Natur, muß er Scenen schildern, wie sie zwischen Völkern vorkommen, welchen seit Jahrhunderten Tyrannei und Fanatismus, Rohheit und Haß das Entsetzliche zum Gewöhnlichen gemacht haben.

Zu dem General kam der Mainot Constantin Comodouro und meldete ihm, daß der Engel des Todes an das Lager seines Verwandten getreten sei, und daß dieser wünsche, von ihm Abschied zu nehmen und zum Sterben eingesegnet zu werden.

Die rauhen Krieger der Maina, deren Religion noch immer ein phantastisches Gemisch von altem Aberglauben und den Lehren der griechischen Kirche ist, während sie seit Jahrhunderten bereits muthig für das Kreuz in den Tod gehen, – hängen fanatisch an ihren Priestern. Wenn der Tod sie fern von denselben ereilt, ist es der Capitano, der das Recht hat, jenen zu ersetzen und ihnen die Absolution und den letzten Segen zu ertheilen.

Ein sterbender Krieger verlangte ihn, und der wilde Palikarenführer zögerte nicht, den Wunsch zu erfüllen, so lange die Waffenruhe es erlaubte. –

Ein Halblicht, durch zwei enge hochangebrachte Schießscharten der Mauer, zu denen steinerne Stufen führten, hereinfallend, beleuchtete das ziemlich große Gemach, an dessen einer Wand halb aufgerichtet der Sterbende ruhte, während auf der andern Seite auf dem Lager von Binsen und Laub das gefesselte Türkenmädchen lag, mit dem Gesicht – nach dem Krieger gekehrt, dem ihre Kugel den Tod gebracht, und ein Zug hohnlächelnden Frohlockens war in ihren dämonischen Augen und um den festgeschlossenen Mund.

Der General betrat allein das Gemach und setzte sich auf einen Stein an die Seite des Verwundeten. Es war ein Kakavouniot, der wildeste und grausamste Stamm der wilden und grausamen Mainoten, ein Mann, längst über das mittlere Lebensalter hinaus und ein Häuptling seiner Familie, der bereits mit dem General in mehreren Schlachten des ersten Befreiungskrieges gefochten. Die Natur von Eisen, die an vierzig Jahre lang den blutigsten Kämpfen getrotzt, unterlag jetzt der Kugel eines Mädchens.

Grivas reichte dem Getreuen die Hand und verkündete ihm die Stellung des Gefechts und die Vorbereitungen, die der Feind und er selbst getroffen, – das war sein Trost zum Tode, und die[53] Augen des alten Klephten funkelten bei der Erzählung des Empfangs, den seine Gefährten den Türken bereiteten.

»Lebt wohl, Capitano,« sagte er, »und mögen die Heiligen Euch beschützen und die Unterirdischen Euch helfen! Ich gehe zum Acheron und die Panagia möge mir gnädig sein. Habt Ihr die Zeit, so laßt ein Grab für mich bereiten, damit die Moslems, wenn der Teufel ihnen den Sieg giebt, nicht meinen grauen Kopf nehmen. Gebt mir den Segen, Capitano, denn mein Athem ist kurz und ich habe noch von den Kindern der hohen Maina zu scheiden.«

Der General sprach ein kurzes Gebet und machte das Zeichen des Kreuzes über ihn. Dann fragte er, ob er vielleicht das Türkenmädchen entfernen solle, damit ihr Anblick seine letzten Augenblicke nicht störe. Der Klephte aber machte heftig das Zeichen der Verneinung, und noch ein Mal ihm die Hand reichend schied Grivas von dem Krieger.

Draußen befahl er dem Neffen, am Eingang des Walles Wache zu halten; er selbst übernahm den Posten auf der Höhe des Thurmes, die sechs Mainoten zu ihrem sterbenden Genossen sendend. –

Die wilden Gestalten der Krieger knieten um den Gefährten, den Comodouro, sein leiblicher Vetter, unterstützte. Der sterbende Klephte sprach in leisen Worten zu ihnen, er sprach von dem Kampf, in den sie gehen würden, und von der Tapferkeit, die er von ihnen erwartete. Dann sprach er von den Seinen in der Heimath und von den Tscheta's, – den Blutfehden, – die er seiner, Familie zurückgelassen. Er gab ihnen Allen die Grüße an die Heimath und seine letzten Bestimmungen, damit, wenn Einer von ihnen den Türken entrinne, dieser sie den Seinen überbringe. Zuletzt sprach er von seinem Tode und von der Pflicht der Rache, die er ihnen hinterlasse.

»Ich sterbe von der Hand eines Weibes, Fluch über ihr Geschlecht! Der Tod durch Weiberhand ist kein Tod im Kampf, und das Gesetz unserer Väter verlangt, daß er gerächt werde.«

»Der General ist kein Sohn der Maina,« sagte Constantin, »er kennt nicht das Gesetz der Blutrache. Das Weib wird sterben von meiner Hand!«

Der Verwundete winkte abwehrend mit der seinen. – »Der Capitano hat befohlen, daß ihr Leben geschont werde. Sie ist seine Gefangene – und wir sind freie Krieger, die ihm Gehorsam geschworen. Das Weib darf nicht sterben, – es würde der Tod eines Tapfern sein[54]

»Der Deine muß dennoch gesühnt werden, Andunah Vati, oder Dein Schatten wird die Unterirdischen verlassen und Fluch bringen über die Schwelle unserer Häuser.«

»Er soll es!«

Der Sterbende warf einen Blick wilden Hasses auf das Mädchen, das bisher gleichgültig dem schaurigen Auftritt beigewohnt. Er flüsterte mit dem Auge auf ihr ein Wort.

Der Klephte nickte stumm.

»Alle – Alle! Fluch und Schmach über sie!«

Sie neigten Alle das Haupt.

»Ich danke Euch, Brüder. – Das Auge wird dunkel – lebt wohl, Maini's, und vergeßt Euren Schwur nicht! – Heilige Jungfrau, bitte für mich und vernichte die Moslems – –«

Die Sechs begannen einen Gesang zu murmeln – eintönig, mit jener plärrenden unangenehmen Weise der Griechen, die sich einzig in zwei Tönen bewegt – den Sterbegesang eines Kriegers – halb Psalm, halb Hymnus!

Die Augen des Sterbenden ruhten mit glühendem Haß auf dem Türkenmädchen, starrer und immer starrer, während seine Hände über die Brust gefaltet waren. Dann begannen seine Glieder sich zu strecken – ein unheimliches Gurgeln quoll die Kehle herauf und ein Zucken erschütterte die Glieder.

Der Wolf des Taygetos hatte geendet!

Die Wölfin von Skadar schauderte unwillkürlich zusammen, – eine furchtbare unbestimmte Ahnung überkam die wilde Amazone der Berge. Starr, wie das des Todten, haftete ihr Auge auf der Gruppe um denselben.

Fort und fort murmelten die Maini's den Sterbegesang.

Dann erhoben sie sich Alle zusammen und schlugen das griechische Kreuz, während Constantin Comodouro der Leiche die Lider über die großen starren Augen drückte und sie lang auf das Blätterlager ausstreckte. Der Blutsfreund des Todten leitete die Leichenceremonieen – dazu gehörte die Rache!

Er winkte nach der Gefangenen, die noch immer mit aufmerksamen Blicken jede seiner Bewegungen beobachtete, den Tod erwartend. Sie that es trotzig und furchtlos – ihr Auge zeigte nur Verachtung und Haß.

Er nahm aus der Tasche seiner Jacke zwei Würfel und alle Sechs kauerten sich im Kreise neben den Todten.[55]

Sie würfelten – Comodouro begann! Sollte das Spielerglück entscheiden, wer ihr den Todesstoß gab?

Comodouro warf Sechs!

Hassan Stavro – Acht!

Georg Zanet – Eilf!

Panagotti Zanetacchi – Vier!

Georg Mauromichalis – Fünf!

Demetri-Bey – Zwölf!

Das Loos fiel auf ihn – aber seltsam – was sollte das bedeuten? – er begann seine Waffen von sich zu legen, – die Waffen, die der Klephte nie von seiner Seite läßt, außer –

Die Fünf zogen ihre Yatagans und nahten sich der Thür. Ein höhnisch frecher, faunenartiger und gehässiger Blick fiel auf das türkische Mädchen und den von den Würfeln Erwählten.

Der Mainote Demetri-Bey, ein Mann von wildem Aussehen und riesigen Körperformen, von etwa dreißig Jahren und in der Fülle seiner Kraft, begann ein seidenes Tuch knebelartig zusammenzudrehen.

Dann nickte er den Gefährten. Sie verließen schweigend die Halle – hinter ihnen fiel die Thür zu. Sie gingen, draußen am Wall mit ihren Yatagans ein Grab zu schaufeln.

Der Maini – der Todte – und die Türkin waren allein!

Die Blicke der beiden Lebenden begegneten sich – die des Mainoten bohrten sich frech auf das blasse, aber dämonisch schöne Antlitz des Weibes und die Wellenformen ihrer gefesselten Gestalt –

Die Blicke des Weibes sprachen Haß, Verachtung, aber zugleich Entsetzen.

Die Augen des Todten sagten Nichts – sie waren geschlossen für dieses Leben und geöffnet für das furchtbare Jenseits, wohin er seinen sündigen Haß mit hinüber genommen und wo er gewogen wurde von der Schale des ewigen Richters, der keinen Haß kennt, nur Gerechtigkeit!

Die Türkin sah den Mainoten auf sich zukommen, seine Linke hielt den Knebel! Schritt um Schritt – jetzt war er an ihrer Seite!

Ihre Hände rangen sich wund, die ledernen Bande zu sprengen.

Noch kam kein Laut von ihren Lippen.

Dann – – – –

1

Gleich 48 Drachmen oder circa 17 Gulden, 1 Drachme = 100 Lephtas oder 21 Kreuzer.

2

Dieselbe lautete:

»Wir Unterzeichnete, Bewohner der (Türkischen) Provinz Arta, sehr unterjocht und mit Abgaben überhäuft, Unsittlichkeiten und Gewaltthätigkeiten gegen unsere Jungfrauen erduldend von diesen wilden und barbarischen Türken, setzen fort den gemeinschaftlichen Krieg von 1821 und schwören auf den Namen Gottes und des geheiligten Vaterlandes, daß wir unsere Waffen nicht eher niederlegen wollen, bis wir unsere Freiheit errungen haben. Wir hoffen bei dieser Fortsetzung des Kampfes von 1821, daß nicht nur alle freien, sondern auch die noch unter der Knechtschaft der Türken seufzenden Griechen die Fahne der Freiheit erheben werden, um den Kampf für Glauben und Vaterland fortzukämpfen. Dieser unser Kampf bleibt ein heiliger, ein gerechter, begründet im Nationalrecht, deshalb wird uns Niemand unser Vorhaben verdenken. Wohlauf denn, Brüder in Griechenland, Epirus, Macedonien, Thessalien und Anatolien, erhebet auch Ihr die Fahne und steht uns bei im Kampf für Freiheit und Glauben. Gott und die Heiligen mögen unser Beginnen segnen.«

3

Kreise.

4

Sein Gesuch lautete:

»Majestät! Mein engeres Vaterland grenzt an den Schauplatz des Krieges, welchen die Nachbarn und Landsleute, die Epiroten, gegen die türkische Tyrannei begannen. Was der gehorsamst Unterzeichnete zuerst bei seiner Ankunft hier vernahm, war der Waffenlärm der für Glauben und Vaterland kämpfenden Brüder und das Echo einer fernen Stimme, welche mich selbst wieder auf das Schlachtfeld rief. Diese Stimme ist die des Vaterlandes, die Niemand unbeachtet lassen kann, ohne Verräther an der Heimath und sich selbst zu werden. Indem ich auf diese Stimme meines unterdrückten Volkes horche und ihm zu Hilfe eile, bitte ich Ew. Majestät, mein Gesuch um Entlassung von meiner Stelle als Militair-Oberst, welche Ew. Majestät mich würdigten, zu bekleiden, gnädigst anzunehmen. In tiefster Ehrfurcht Ew. Majestät gehorsamer Diener und Unterthan

Sotiris Stratos

5

Allgemeine Benennung der Bewohner von Albanien.

6

Die Führer der Freischaaren.

7

Tapfere.

8

Klan oder Stamm.

9

Kriegsgefang.

10

Familienhaupt, Hausherr.

11

Griechische Benennung der heiligen Jungfrau.

12

Mäntel von Ziegenhaaren.

13

Fehde.

14

Stammes.

15

Madame.

16

Wehrwölfe.

17

Secte des Ali, im Gegensatz zu den Suniten, den gewöhnlichen Türken.

18

Mausoleum.

19

Stellvertreter des Pascha's oder Gouverneurs.

20

Georg Kastriota, genannt Scanderbeg; seine Nachkommen, zum Islam übergetreten, regierten drei Jahrhunderte lang die Landschaft Toskarien oder Mutasche.

21

Der Kampfruf der Araber.

22

Mainoten.

Quelle:
Herrmann Goedsche (unter dem Pseudonym Sir John Retcliffe): Sebastopol. 4 Bände, Band 3, Berlin 1856, S. 5-56.
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