Die Elfen

[192] Erste:


Kommt herbei, ihr luft'gen Schwestern!

Seht! ein holdes Erdenkind!

Sputet euch, bevor sie fliehet!

Solch ein Hexchen ist geschwind.


Alle:


Mädchen, komm zum Elfentanze,

Komm im Mond- und Sternenglanze!


Zweite:


Traun! du bist ein leichtes Liebchen,

Wiegst nicht über fünfzig Pfund,

Hast ein kleines, flinkes Füßchen;

Tanze mit uns in die Rund!


Dritte:


Kannst wohl frei in Lüften schweben,

Bis man eben drei gezählt,[192]

Stampfst zuweilen kaum ein wenig,

Daß man nicht den Takt verfehlt.


Alle:


Zürne nicht, du flinke Kleine,

Tanze frisch im Mondenscheine!


Vierte:


Trautes Liebchen! kannst du lachen?

Weinst du gern im Mondenschein?

Weine nur! so wirst du schmelzen,

Bald ein leichtes Elfchen sein.


Fünfte:


Sprich! ist auch dein Fleiß zu loben?

Ist dir keine Arbeit fremd?

Ist dein Brautbett schon gewoben?

Spinnst du schon fürs Totenhemd?


Sechste


Kennst du auch die große Lehre

Von der Butter und dem Schmalz?

Spürst du in den Fingerspitzen:

Wieviel Pfeffer, wieviel Salz?


Alle:


Liebchen, laß uns immer fragen!

Darfst uns keine Antwort sagen.


Siebente:


Hast du nichts auf dem Gewissen,

Wie so manches arme Kind,

Von verstohlnen süßen Küssen,

Welches große Sünden sind?


Achte:


Oder bist du schon ein Bräutchen?

Hast 'nen Bräutigam so treu,

Der dich darf spazieren führen

Nachmittags von eins bis zwei?


[193] Neunte:


Hast du einen Ring am Finger,

Schwer von Gold, mit Stein geschmückt?

Das ist echte Lieb und Treue,

Wenn es recht am Finger drückt.


Zehnte:


Liebchen! bist noch immer böse?

Hast du so ein hitzig Blut?

Mußt dir's Zürnen abgewöhnen,

Ist nicht für die Ehe gut.


Alle:


Liebchen, frisch zum Elfentanze!

Auf im Mond- und Sternenglanze!


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 1, München 1980, S. 192-194.
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