Vaterland

[179] Teutonia, mein großes Vaterland,

Du Riesentochter, schwingst schon wieder

Die Schlachtgeschosse in der Hand?

Reiz'st Brüder gegen Brüder?


Soll wieder Blut – ach, deiner Söhne Blut

Das Gras, die Wiesenblume färben?

Siehst du so gerne, schwarz vor Wuth,

Den wunden Krieger sterben?[179]


Schon hör' ich's, wie der Brennen blaue Schaar

Daher mit Donnerschritten schreitet,

Von ihrem Schützer unsichtbar,

Von Friedrichs Geist begleitet.


Gleich Meereswogen wälzt ein weißes Heer

Den blauen Schaaren sich entgegen.

Die Pulverwetter drohen schwer

Mit mörderischen Schlägen.


O du, auf den der Blick der Welt gekehrt,

O Leopold, der Menschen Freude,

Sprich zu dem blanken Würgeschwert:

»Fahr wieder in die Scheide.«


Auch Friedrich Wilhelm ist dem Frieden hold,

Ein Feind vom mörderischen Wüthen.

Er wird die Rechte, Leopold,

Dir gern, als Bruder, bieten.


Es ist so schön, so himmlisch königlich,

Im Frieden seinen Thron besteigen,

Und allen Erdenvölkern sich

Als Freund der Menschheit zeigen.


Der Aufruhr, den die Höll' heraufgesandt,

Die Nationen zu erregen,

Wird bald aus hochgehobner Hand

Die Flammengeißel legen.


Doch soll des Krieges Wetterwolkennacht,

Teutonia, die Welt bestürmen,

So droh mit aller deiner Macht

Den stolzen sieben Thürmen.


Nur möge nie des Deutschen starke Hand

Den Bruder bei der Kehle packen,

Auch schickt sich besser Mord und Brand

Für thierische Kosaken.


Im Friedenslispel schalle bald der Ruf:

Ein Kaiser sitzt auf deutschem Throne!

Den Gott zu unsrem Haupte schuf,

Dem gaben wir die Krone.[180]


Hingebückt an ihrem Betaltare

Fleht Germania mit Angstgeschrei:

Gott, gebeut dem Kampf der schwarzen Aare,

Daß er kurz und minder blutig sei.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 179-181.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
S Mmtliche Gedichte, Volume 1
S Mmtliche Gedichte, Volume 3
Gedichte. Aus der

Buchempfehlung

Aristoteles

Nikomachische Ethik

Nikomachische Ethik

Glückseligkeit, Tugend und Gerechtigkeit sind die Gegenstände seines ethischen Hauptwerkes, das Aristoteles kurz vor seinem Tode abschließt.

228 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon