Fabel: Der faul bauer mit sein hunden

[223] Doctor Sebastianus Brant

ein fabel schreibet mit verstant,

wie das auf einem dorfe sas

ein baur, der faul und gfreßig was,

welchem sein vatter war gestorben,

von dem het er sein hof erworben,

darin von treit ein vorrat het,

das er balt gen mark füren tet

und verkaufet das kurzer tag.

mit dem gelt in der stat drin lag,

in dem wirteshaus bei dem wein,

het gar kein achtung auf das sein

und saget oft: was sol ich sorgen,

ich hab gnug, sterb heut oder morgen,

wan ich weiß gewis und fürwar,

wenn ich noch lebet hundert jar,

so hab ich hundert jar zu eßen.

solcher wort trib er vil vermeßen,

ie feuler und heilloser wur.

forthin nicht mer gen acker fur

den ganzen herbst, auch seet nit.

als es hinaus kam an den schnit,

das sein nachbaurn in dorfgemein

schnitten und fürten koren ein

und samleten ir kesten vol,

zu zeren mit ornlich und wol;

aber der faule bauersman

der het im sommer nichtsen tan,

den sein vetterlich erb an worn,

het gebaut weder weiz noch korn;

als der winter kam nach den sachen,

het er kein treit, im brot zu bachen.[224]

als nun der hunger in anfacht,

er im ein losen fürschlag macht,

stach darnider das weidvich sein,

schaf, rinder, böck, geiß und die schwein,

eins nach dem andern solcher maß,

sie sut und briet, darnach sie fraß.

nach dem er auch darnider schlug

die ochsen, so vor in dem pflug

zugen, und die einsalzen was

und einen nach dem andern fraß.

als solichs sahen seine hunt,

da hettens ein gesprech gar runt,

sprachen: schaut, der faul bauersman,

so er sein erbteil hat vertan,

hat er sein weidvich abgestochen,

leßt das sieden, braten und kochen,

hat das gefreßen aus dem salz,

von den er het kes, milch und schmalz,

die im vil nutz haben getragen,

das hat er als in wint geschlagen.

nach dem sein ochsen nider schlug,

welche im zugen in dem pflug,

darmit mocht bauen weiz und korn,

haben all ir treu dienst verlorn,

die frißt er auch in seinen hals.

wenn ers hat aufgfreßen nachmals,

so hat er ie nichts mer im haus

zu freßen, so wirt er voraus

auch freßen uns zwen arme hunt,

wo wir im nicht entlaufen tunt,

uns suchen einen andern hern;

drumb wöll wir laufen in die fern,

das wir vom faulen baurn vermeßen

nicht werden gmetzget und gefreßen.

darmit loffen beid hunt darvon,

verließn den faulen bauersmon.


Der beschluß

[225] Aus diser fabel sol verstan

noch heut zu tag ein junger man,

dem auch etwan ein erb zustet,

darvon er gute steuer het,

ornlich zu leben spat und fru,

iedoch das er auch tu darzu

sein arbeit oder seinen handel

und füren ein erlichen wandel

als ein biderman nach seim stant;

wenn er aber nimt an die hant

ein lesterlich faulenzeut leben

und sich gar darein tut ergeben

auf füllerei, hurweis und spil,

helt darin weder maß noch zil,

wart seins handels gar nicht darbei,

dem verschwindt aus sein henden frei

sein gütlich und tut von im wandren,

denn verkauft er eins nach dem andren

umb halbes gelt und wie er kon;

möcht sich doch neren wol darvon,

wenn er nicht wer so treg und faul,

het nicht ein so vernaschtes maul.

als denn er seine wolbekanten

freunt, gesellen und wolverwanten

tückischer weis denn tut ansetzen,

mit lehen und bürgschaft zu letzen,

die im vor habn vil gutes ton,

der keines tut er denn verschon,

helt den doch weder zeit noch frist,

glauben und traun verloren ist;

als denn zu grunt sein handel gat,

denn stet wüst und öd sein werkstat.

erst komt die armut im zu haus

wie ein starker ries überaus,

denn muß am hungertuch er neen

knecht und meit tunt sich denn ausdreen,[226]

weil mangel ist an speis und brot;

im haus ist nichts den angst und not.

das hat im der jung faule man

nur selber gar mutwillig tan,

das in unfal als ungemachs

sein lebtag reit, so spricht Hans Sachs.


Anno salutis 1563., am 24. tage Septembris.


Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Zweiter Theil: Spruchgedichte, Leipzig 1885, S. 223-227.
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