Ein gesprech mit dem faulen Lenzen, welcher ein hauptman des großen faulen haufen ist

[116] Eins tags im Maien heuer

gieng ich durch abenteuer[116]

hinaus gen Erlenstegen;

da kam mir underwegen

geritten ein hauptman,

der sach mich schlefrig an,

auf einem esel saß,

ein küss sein sattel was,

vol stro hieng har und bart,

sach ganz dusmiger art,

sein rock vol federn hieng,

der fragt mich, wann ich gieng.


Der dichter.


Ich sagt: von Nürnberg her.


Der faul Lenz.


Da fragt mich wider er,

ob er möcht knecht auftreiben,

willens wer er, zu schreiben

ein fenlein oder zwei

von leuten allerlei,

wie ers möcht kommen an,

beide frau unde man,

herren, meit unde knecht,

auch allerlei geschlecht,

münich, nunnen und pfaffen,

jung, alt, schön und ungschaffen,

arm, reich, nahet und ferr.


Der dichter.


Ich sprach: wer ist dein herr?


Der faul Lenz.


Er sprach: ich bin der man.


Der dichter.


Ich fragt: wer bist? sag an.


[117] Der faul Lenz.


Er antwort mir behenz:

wiß, ich bin der faul Lenz,

der alle arbeit scheucht

und in dem lant umbzeucht,

und schreib leut, die mir dienen.

in dem wart er aufgienen.


Der dichter.


Ich fragt: was wilt du ir?


Der faul Lenz.


Er sprach: sie müßen mir

den sommer helfen schwürmen,

den fauln berg helfen stürmen,

der hinter Pfingsten leit.


Der dichter.


Ich sprach; sag, welche zeit

du ligen wirst zu felt.


Der faul Lenz.


Drei monat lang, er melt,

den brachmon und heumon,

den Augstmon ich auch hon.


Der dichter.


Ich sprach: zeig den begrif

in deim artikel brief.


Der faul Lenz.


Er sprach: du fragst zu vil,

doch ich nit bergen wil,

ob ich dich möcht erschleichen:

erstlich müßen die reichen

die drei monat spaziern

in gerten und meiiern,[118]

schalatzen, reitn und farn,

im wiltbad nichtsen sparn,

lust, ru und schatten suchen,

irs handels nichts geruchen,

er nem ab oder zu.

das geistlich volk sucht ru,

sol nit zu vil studirn,

das es nit schad dem hirn,

sonder im bet tu schwitzen

und auf dem polster sitzen

und ob den büchern natzen,

recht wie die klosterkatzen.

die hantwerksleut die sollen

leben in allem vollen,

sollen frü schlafen gan,

morgens langsam aufstan,

alsbalt gen auf ein suppen,

darzu das fleschlein luppen,

denn gen am seumark um,

biß der mittag herkum,

als denn sich füllen wider,

darauf sich legen nider,

rastn ein par stüntlein drauf,

denn faren wider auf,

faulenzen hin und her,

erfaren neue mer,

oder gen zu dem wein,

sich füllen wie die schwein

die ganz wochen durchaus.

keiner fragt nach seim haus

oder seiner werkstat,

biß drei monat vergat.

dergleich sollen die bauren

die drei monat on trauren

fliehen den sonnenschein

und ligen bei dem wein,[119]

auf alle kirchweih laufen,

sich vol freßen und saufen.

aber die knecht und gselln,

welche nur dienen wölln,

sollen all montag feiern,

drauß vor dem tor umbleiern,

nach mittag spiln und zern,

am mittwoch heimwerts kern,

darnach unfleißig neen,

schmiden, feilen und dreen,

malen, weben und bachen,

zwen tag ein tagwerk machen,

weng arbeiten, vil schlafen.

wenns der meister wil strafen,

sollns wandern und aufsten,

ein tag zwo meile gen,

kleider verzern, verkaufen

und denn in krieg hin laufen.

umb die weiber und meit

hats auch ein andern bscheit:

müßen langsam aufsten,

zottet, unlüstig gen

und nach den flöhen fischen,

die zen ans hemmat wischen,

am schlappermark sten schwatzen

und ob dem rocken natzen,

drei tag ein spulen spinnen,

das kraut an laßen brinnen,

die suppen überlaufen,

heimlich meucheln und saufen,

unlüstig spüln und kochen,

nit kern die ganzen wochen,

nichts waschen überal,

in drei tagn bettn einmal.

so hab ich überlaufen

die stück des faulen haufen,[120]

des sie mir müßen schwern,

unders fenlein zu mern

faulkeit in heißen tagen.

der faulst wirts fenlein tragen;

all, so arbeiten gern,

all ausgemustert wern.


Der dichter.


Ich sprach: wo wirst du bleibn

zu herberg, dein knecht schreibn?

wohin solln dir mit haufen

jung unde alt nachlaufen?


Der faul Lenz.


Er sprach: dauß zu Schweinau,

dahin kom man und frau,

beide knecht und hausmeit,

da findens gelt und bscheit.


Der dichter.


Ich fragt: von wann bist du?


Der faul Lenz.


Er antwort mir: hör zu,

ich bin vom bettelberg,

da ich all die herberg,

die mit mir ziehen ummer

den winter zu dem summer

etwan vil mannich jar;

da zal ich offenbar,

was ieder selbs erwarb,

das kleit ist mangelfarb,

da mögens zu fuß traben

und eßen, wenn sies haben,

legen ein gruten arm

auf ein hungrigen darm;[121]

in einem ströen bet

da schlafens in die wett.

dise freiheit sie hon

zu einer provision

forthin ir lebenlang;

sie sint alt oder krank,

müßens mit mir faulenzen,

dem faulen haufen schwenzen,

stürmen den faulen berg,

spricht Hans Sachs zu Nürnberg.


Anno salutis 1547., am 21. tage Aprilis.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Zweiter Theil: Spruchgedichte, Leipzig 1885, S. 116-122.
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