Verbietung sorg um zeitlich narung

[214] In der schrankweis Hans Folzen.


18. september 1546.


1.

Matthei sexto Cristus spricht:

niemant kan zween herren

dienen, sunder er muß gericht

einen haßen von ferren

und den anderen lieben tan

oder wird einem hengen an,

den andern lert

verachten im zu schaden.

So kündt ir auch nicht dienen sein

got und dem mamon eben,[214]

darum, so sag ich euch, allein

sorgt nit für euer leben,

wo ir wolt essen, trinken han

auch nicht für euer leibe schan,

wie der geert

mit kleidung wirt beladen.

Nun nemet doch war aller weis:

das leben ist mer, dan die speis,

der leib mer, dan der kleider preis;

auch nemet war der vogel schar

fliegen unter dem himel klar,

sie seen auch nit über jar,

sie ernten nit, noch samlen zwar

auch nicht in ire scheunen ein,

doch der himlisch vatter verpflicht

sie all ernert

aus vetterlichen gnaden.


2.

Seid ir dan nicht vil mer dan sie?

wer ist unter euch allen,

der seiner leng ein ellen hie

kunt zutun nach seim gfallen,

ob ir gleich darum sorgen seit;

warum sorgt ir in diser zeit

für die kleider?

tut auf dem felt anschauen

Die lilgen, wie sie wachsen schon,

doch nit spinnen noch nehen!

ich sag euch doch, das Salomon

nicht also wart gesehen

in aller seiner herlikeit

so schon und zierlich sein bekleit

als eins diser

blümlein in grüner auen.

So dan got auf dem felt das gras

so zierlich kleidt on unterlaß,

das heut grünet in solcher maß

und morgen zwar in ofen dar

geworfen wirt, solt euch dan gar[215]

got nit mer tun solichs fürwar?

o die kleingelaubige schar!

darum solt ir kein sorgen han

und sagen: »was werden wir ie

eßen aber

trinken?« aus unvertrauen.


3.

Und wo nem wir die kleidung her?

nach dem trachten die heiden.

dan euer himlischer vatter

weiß alle ding bescheiden,

was ir bedürfet allgemein.

trachtet nach gottes reich allein

und halt nachfrag

seiner grechtikeit eben;

So wird euch solichs fallen zu.

darum solt ir nit sorgen

für den anderen morgen fru;

es wirt der ander morgen

selbs für das seinig sorgen fein

gnug ist, das ieder tage sein

sorg unde plag

habe in disem leben.

Aus disem text wert wir gelert,

das got all gschepf kleit, ziert und nert,

wie man es dan teglich erfert.

darum arbeit in diser zeit

ein christ, wie gotes wort ausschreit,

nach seim beruf on widerstreit

und fliech alle kleingleubikeit

ste auch ganz aller sorg zu ru,

vertraue got, das er im wer

auf sein zusag

sein teglich narung geben.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 214-216.
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