Auf die Winterszeit

[190] Der Winter hat sich angefangen,

Der Schnee bedeckt das ganze Land,

Der Sommer ist hinweggegangen,

Der Wald hat sich in Reif verwandt.

Die Wiesen sind von Frost versehret,

Die Felder glänzen wie Metall;

Die Blumen sind in Eis verkehret,

Die Flüsse stehn wie harter Stahl.

Wolan, wir wollen von uns jagen

Durchs Feur das kalte Winterkleid;

Komt, laßt uns Holz zum Herde tragen

Und Kohlen dran, jetzt ist es Zeit.

Laßt uns den Fürnewein hergeben

Dort unten aus dem großen Faß!

Das ist das rechte Winterleben:

Ein' heiße Stub' und kühles Glas.

Wolan, wir wollen musicieren

Bei warmer Luft und kühlen Wein;

Ein ander mag sein' Klagen führen,

Den Mammon nie läßt frölich sein.

Wir wollen spielen, scherzen, essen,

Solang' uns noch kein Geld gebricht,

Doch auch der Schönsten nicht vergessen,

Denn wer nicht liebt, der lebet nicht.

Wir haben dennoch gnug zu sorgen,

Wann nun das Alter komt heran;

Es weiß doch keiner, was ihm morgen

Noch vor ein Glück begegnen kan.[190]

Drum wil ich ohne Sorgen leben,

Mit meinen Brüdern frölich sein.

Nach Ehr' und Tugend thu' ich streben,

Den Rest befehl' ich Gott allein.

Quelle:
Johann Rist: Dichtungen, Leipzig 1885, S. 190-191.
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