Der Rubel auf Reisen

[184] 1833.


Der Rubel reist im deutschen Land,

Der frommen Leuten frommt,

Und jeder öffnet schnell die Hand,

Sobald der Rubel kommt.


Ihn speichert selbst der Pietist,

Und gibt den Armen mehr:

Seit außer Kurs die Tugend ist,

Kursiert der Rubel sehr.


Der Tugend wird bloß Ruhm zuteil,

Es ist ein hohler Schall;[184]

Doch wem die Welt um Rubel feil,

Dem klingt ein rein Metall!


Da wird die Nacht gescholten Tag,

Der Teufel wird so gut!

Was nicht ein heller Klang vermag,

Was nicht ein Rubel tut!


Des Nordens Sternbild wird bekränzt

Vom Sängerchor des Teut:

Es ist der Rubel, der so Glänzt,

Der so das Aug erfreut!


Wohl ist er ein an jedem Strand

Süßangegrinster Gast:

Verkaufe nur dein Vaterland,

Wofern du eines hast!


Doch ist dir auch, welch eine Kraft

Du töten sollst, bewußt?

Gymnastik ist's und Wissenschaft,

Die du verleumden mußt.


Es wird, und sind nur diese Zwo

Zum Land gepeitscht hinaus,

Mit Rubeln ach, mit Rubeln oh,

Gepflastert jedes Haus.


Und sind verjagt nur diese Zwei,

Dann herrscht Tyrann und Pfaff,

Und jede Nerve wird wie Brei,

Und jede Sehne schlaff.


Der Rubel klirrt, der Rubel fällt,

Was ist der Mensch? Ein Schuft!

Und wenn die Welt dir nicht gefällt,

So steig in deine Gruft!


Erst gab's nur Einen Kotzebue,

Jetzt gibt's ein ganzes Schock;

Und schüttelst du das Haupt dazu,

So leg es auf den Block!
[185]

Der Teufel siegt, der Gott verliert,

Der blanke Rubel reist:

So ward von je die Welt regiert,

So lang die Sonne kreist.

Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 184-186.
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