Der Tanz


[541] Dorfschenke.

Hochzeit. Musik und Tanz.


MEPHISTOPHELES als Jäger, zum Fenster herein.

Da drinnen geht es lustig zu;

Da sind wir auch dabei. Juchhu!


Mit Faust eintretend.


So eine Dirne lustentbrannt

Schmeckt besser als ein Foliant.

FAUST.

Ich weiß nicht, wie mir da geschieht,

Wie michs an allen Sinnen zieht.

So kochte niemals noch mein Blut,

Mir ist ganz wunderlich zu Mut.

MEPHISTOPHELES.

Dein heißes Auge blitzt es klar:

Es ist der Lüste tolle Schar,

Die eingesperrt dein Narrendünkel,

Sie brechen los aus jedem Winkel.

Fang Eine dir zum Tanz heraus

Und stürze keck dich ins Gebraus!

FAUST.

Die mit den schwarzen Augen dort

Reißt mir die ganze Seele fort.

Ihr Aug mit lockender Gewalt

Ein Abgrund tiefer Wonne strahlt.[541]

Wie diese roten Wangen glühn,

Ein volles, frisches Leben sprühn!

's muß unermeßlich süße Lust sein,

An diese Lippen sich zu schließen,

Die schmachtend schwellen, dem Bewußtsein

Zwei wollustweiche Sterbekissen.

Wie diese Brüste ringend bangen

In selig flutendem Verlangen!

Um diesen Leib, den üppig schlanken,

Möcht ich entzückt herum mich ranken.

Ha! wie die langen schwarzen Locken

Voll Ungeduld den Zwang besiegen

Und um den Hals geschwungen fliegen,

Der Wollust rasche Sturmesglocken!

Ich werde rasend, ich verschmachte,

Wenn länger ich das Weib betrachte;

Und doch versagt mir der Entschluß,

Sie anzugehn mit meinem Gruß.

MEPHISTOPHELES.

Ein wunderlich Geschlecht fürwahr,

Die Brut vom ersten Sünderpaar!

Der mit der Höll es hat gewagt,

Vor einem Weiblein jetzt verzagt,

Das viel zwar hat an Leibeszierden,

Doch zehnmal mehr noch an Begierden.


Zu den Spielleuten.


Ihr lieben Leutchen, euer Bogen

Ist viel zu schläfrig noch gezogen!

Nach eurem Walzer mag sich drehen

Die sieche Lust auf lahmen Zehen,

Doch Jugend nicht voll Blut und Brand.

Reicht eine Geige mir zur Hand,

's wird geben gleich ein andres Klingen

Und in der Schenk ein andres Springen![542]

Der Spielmann dem Jäger die Fiedel reicht,

Der Jäger die Fiedel gewaltig streicht.

Bald wogen und schwinden die scherzenden Töne

Wie selig hinsterbendes Lustgestöhne,

Wie süßes Geplauder, so heimlich und sicher,

In schwülen Nächten verliebtes Gekicher.

Bald wieder ein Steigen und Fallen und Schwellen;

So schmiegen sich lüsterne Badeswellen

Um blühende nackte Mädchengestalt.

Jetzt gellend ein Schrei ins Gemurmel schallt:

Das Mädchen erschrickt, sie ruft nach Hilfe,

Der Bursche, der feurige, springt aus dem Schilfe.

Da hassen sich, fassen sich mächtig die Klänge

Und kämpfen verschlungen im wirren Gedränge.

Die badende Jungfrau, die lange gerungen,

Wird endlich vom Mann zur Umarmung gezwungen.

Dort fleht ein Buhle, das Weib hat Erbarmen,

Man hört sie von seinen Küssen erwarmen.

Jetzt klingen im Dreigriff die lustigen Saiten,

Wie wenn um ein Mädel zwei Buben sich streiten;

Der eine, besiegte, verstummt allmählig,

Die liebenden Beiden umklammern sich selig,

Im Doppelgetön die verschmolzenen Stimmen

Aufrasend die Leiter der Lust erklimmen.

Und feuriger, brausender, stürmischer immer,

Wie Männergejauchze, Jungferngewimmer,

Erschallen der Geige verführende Weisen,

Und alle verschlingt ein bacchantisches Kreisen.

Wie närrisch die Geiger des Dorfs sich gebärden!

Sie werfen ja sämtlich die Fiedel zur Erden.

Der zauberergriffene Wirbel bewegt,

Was irgend die Schenke Lebendiges hegt.

Mit bleichem Neide die dröhnenden Mauern,

Daß sie nicht mittanzen können, bedauern.

Vor allen aber der selige Faust[543]

Mit seiner Brünette den Tanz hinbraust;

Er drückt ihr die Händchen, er stammelt Schwüre

Und tanzt sie hinaus durch die offene Türe.

Sie tanzen durch Flur und Gartengänge,

Und hinterher jagen die Geigenklänge;

Sie tanzen taumelnd hinaus zum Wald,

Und leiser und leiser die Geige verhallt.

Die schwingenden Töne durchsäuseln die Bäume,

Wie lüsterne, schmeichelnde Liebesträume.

Da hebt den flötenden Wonneschall

Aus duftigen Büschen die Nachtigall,

Die heißer die Lust der Trunkenen schwellt,

Als wäre der Sänger vom Teufel bestellt.

Da zieht sie nieder die Sehnsucht schwer,

Und brausend verschlingt sie das Wonnemeer.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 541-544.
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