Sie

[294] Freude, wem gleichst du? Umsonst streb' ich zu wählen! Du bist

Allem, was schöner ist, gleich, allem, das hoch

Sich erhebet, allem, was ganz

Rühret das Herz!


O sie kennen dich nicht! Wissen sie, dass du nicht komst,

Wenn sie dir rufen? dass du, freyeste du,

Sie, wenn zu zwingen sie wähnen, verlachst,

Fliehend verlachst?


Freyeste, aber du bist Fühlenden, Redlichen hold,

Lächelst ihnen! Du labst dann, wie der West;

Blühest, wie Rosen, welche mit Moos

Gürten ihr Blatt;
[295]

Glühst von der Lerche Glut, hebt sie gen Himmel sich; weinst,

Wie die gekränzete Braut; wie, wenn den Sohn,

Junge Mutter nunmehr, sie umarmt,

Drückt an ihr Herz!


Aber du weinest auch, wenn mit der Wehmuth du dich

Einst, und der Tröstung. Besucht oft sie, ihr drey,

Denen ihr liebe Gespielinnen seyd,

Grazien seyd.


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 2, Leipzig 1798, S. 294-296.
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