Vorgefühl

[106] Das ist der Frühling nicht allein,

Der durch die Bäume dränget

Und wie im Faß der junge Wein

Die Reifen fast zersprenget,


Der Frühling ist ja zart und kühl,

Ein mädchenhaftes Säumen,

Jetzt aber wogt es reif und schwül

Wie Julinächte träumen.


Es blinkt der See, es rauscht die Bucht,

Der Mond zieht laue Kreise,

Der Hauch der Nachtluft füllt die Frucht,

Das Gras erschauert leise.


Das ist der Frühling nicht allein,

Der weckt nicht solche Bilder

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Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 1: Gedichte, Dramen, Frankfurt a.M. 1979, S. 106-107.
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