[26. Kapitel]

Wie der Keyser begert / die Bawren solten ein

Vrtheil vber einen todten Wolffe fellen /

vnd wiedieselb gefiel.

[101] Der Keyser verwundert sich vber jhren närrschen Bossen / wuste nit wie ers verstehn vnnd außlegen solt /weil sie zuvor wegen grosses verstands vnd Weißheit so berümt gewesen / vnd aber jetzt so grobe vnnd thörichte zotten vnd bossierliche Bossen reissen: wolt derwegen recht erfahren / ob jnen auch ernst darzu sey / oder ob sie es nur auß angelegter Thorheite thüen /vnd gab jnen / solches zuerfahren / eine Frag auff /darüber sie das Gericht besitzen / vnd jhme jhres Rhats Abscheid sagen solten. Die Frag aber war diese: Als er nehermalen bey jhrem Dorff durch den Wald gereiset / hab er einen todten Wolff / welcher gestorben gewesen / gefunden ligen: da solten sie jhme nun sagen / was da möchte vrsach seines tods gewesen sein?[101] Als hierüber das Gericht besetzt / vnd der Keyser / durch sein nach Recht erlaubten Fürsprechen / die Frag hatte fürbringen lassen / fielen endlich viererley meinung darvon / deren jede jren Anhang gehabt. Die erste saget: Der Wolff wer in der grossen Kelte vnd tieffen Schnee barfuß gegangen / hab jhme derowegen die Kelt also zum Hertzen geschlagen /vnd jne so hart angriffen / daß er davon habe sterben müssen. Die ander meinunge vermeint / seit einmal der Wolff mehr zufuß gelauffen / dann aber geritten were / sey er vielleicht gejagt worden / vnd als er nicht mehr Athem gehabt / sey er ersticket. Die tritte Vrtheil war diese: Der grausam grosse schmertz vnd wehtumb / den er gehabt / habe jhn vmbs Leben gebracht: Dann jme sey alle sein tag niemaln so wehe gewesen / als eben inn der stund da er gestorben. In deß Schulthessen Kropff stecket die vierte Vrtheil /die lautet zu Teutsch also: Wir haben / liebe Nachbarn / an vnserm Viehe wol innen worden / waran der Wolff gestorben sey / dann wir haben sein wol so viel verlohren / welchs er alles gefressen hat. Nun ist wol zuerachten / demnach er kein Haußhaltung gehabt /vnd niemand der sein gewartet / auch kein Kellerin dörffen halten / wie vnser Pfaff eine helt / er habe mehr rohes Fleisch geessen / dann gesottens / gebachens oder gebratens. So seind die alten Kühe / welche er je zur zeit offt Hungers halben hat fressen müssen / auch nicht allwegen für seinen vndäuwigen magen gewesen / zuvor inn vergangener grossen kelte. Zu dem / so hat er alles verzehrt was er nur ankommen / auch das selbgestorbene Viehe: dann meinem Gevattern starb kurtzlich eine alte Kuh die war siech /die hat er auch also rohe inn dieser kelte verschluckt (er hette sie doch auff das wenigest inn ein Pastet mögen lassen backen) vnnd kalt wasser darauff gesoffen / das habe jhm nun den Magen erkeltet (deßn zum warzeichen hab er einen hart gefrornen Wolffsdreck neuwlich gefunden / welcher gnugsame anzeigung[102] gebe eins gar erkalten Magens) vndäwig gemachet /vnnd sich daher viel schleyms vnd vnrahts jhme an die Lebern gehenget / daher jhm grosse Grimmen vnd wehetage entstanden. Solts dann ein wunder sein /daß er endlich daran gestorben ist? Vnser einer müste wol daran erworgen.

Auff diese rede ward ein vmbfrag gethan / vnd einhelliglich beschlossen / der Schultheß hette die beste vrsach angezeigt: welches dann noch zum vberfluß an deß todten Wolffs Zänen zusehen were / weil sie also weiß seyen / die doch sonst ab der heissen speise pflegen schwartz zuwerden. Vnd diese jre Rhatserkantnuß vnd vrtheil lesset jhr E.W. an den Keyser gelangen /welcher sprach / sie hetten recht vnd wol hierinnen gevrtheilt / were dauon nicht zu appellieren.

Quelle:
[Anonym]: Das Lalebuch. Stuttgart 1971, S. 101-103.
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